Den Schweizer Juden gehe es im Grossen und Ganzen sehr gut, der Staat komme der Schutzpflicht ihnen gegenüber jedoch nicht ausreichend nach: Dies sagte SIG-Präsident Herbert Winter an einer Tagung in Bern. Thema der Tagung war die Situation der jüdischen Minderheit in der Schweiz.
An einer Tagung zur Situation der jüdischen Minderheit in der Schweiz in Bern sprach SIG-Präsident Dr. Herbert Winter heute über die Situation der Jüdinnen und Juden 150 Jahre nach der Gleichberechtigung. „Es geht uns im Grossen und Ganzen sehr gut“, meinte Winter, „in Sachen Sicherheit bestehe jedoch Verbesserungspotential.“
Die Terrorattacken auf jüdische Ziele in Frankreich, Dänemark und Belgien hätten auch Schweizer Juden verunsichert. Der Aufwand für die Sicherheit sei mittlerweile enorm. „Anders als in unseren Nachbarländern trägt die jüdische Gemeinschaft hierzulande sämtliche Kosten für Sicherheitsmassnahmen und -personal selber.“ Dabei verpflichte sich die Schweiz im Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, ihre Minderheiten zu schützen. Der Staat nehme seine Schutzpflicht gegenüber den Juden nicht ausreichend wahr, so Winter. „Wir haben aber das Recht, in Sicherheit zu leben.“
Dennoch betonte der SIG-Präsident in seiner Rede, dass das Schweizer Judentum eine grosse Erfolgsgeschichte sei. „Die Juden gestalten heute Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur mit“, so Winter. „Wir sind zu einem integralen Bestandteil dieses Landes und dieser Gesellschaft geworden.“ Als Schlüsselfaktoren für die Erfolgsgeschichte nannte Winter den Willen zur Integration und zum Mitgestalten, Geduld und Ausdauer, Bildung und Unternehmergeist. Das vielfältige jüdische Leben in der Schweiz floriere.
An einem Podiumsgespräch wurde die Frage diskutiert, welche Pflichten der Staat im Kampf gegen Antisemitismus habe. SIG-Vizepräsidentin Sabine Simkhovitch-Dreyfus betonte dabei die Wichtigkeit präventiver Massnahmen: „Der Staat muss mehr tun und mehr mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Nur so können Vorurteile abgebaut und extremistische Gewalt verhindert werden.“
Die Schweiz hat die jüdische Gemeinschaft als nationale Minderheit im Sinne des 1998 ratifizierten Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten anerkannt. Organisiert wurde die Tagung vor diesem Hintergrund vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und dem Eidgenössischen Departement des Innern mit Unterstützung des Europarats sowie der beiden jüdischen Dachverbänden Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG und Plattform der Liberalen Juden der Schweiz PLJS.
Weitere Auskünfte:
Dr. Herbert Winter, Präsident SIG (+41 43 305 07 72)