Die Gründung der Israelitischen Gemeinschaft Freiburg vor mehr als einem Jahrhundert gab der jüdischen Bevölkerung des Kantons einen ersten symbolischen Zusammenhalt. Sie ist seither als offizielle Vertretung anerkannt, neben der ein aussergemeinschaftliches jüdisches Leben existiert.

Die Gründung

Gegründet im Jahre 1895 kommt die „Communauté israélite de Fribourg“ (CIF) den religiösen Erwartungen und Identitätsbedürfnissen der praktizierenden männlichen Juden des Kantons entgegen, da sie dem Wunsch nach Zusammenschluss in einer anerkannten Gemeinschaft entspricht. Grundlegende Motive für die Gründung ergeben sich aus dem damaligen Umfeld mit der Schaffung der „Christlichen Republik“ im Jahr 1885, die die religiöse, konservative Haltung der Freiburger politischen Führung betont, und dem landesweiten Verbot des rituellen Schlachtens im Jahr 1893. Die kleine jüdische Gemeinschaft ist traditionell konservativ orientiert. Ihre Mitglieder, in der Mehrzahl Aschkenasen, fühlen sich vor allem durch ihre Geschichte und das gemeinsame Schicksal verbunden.

Leben in der Gemeinschaft

Das Leben in der Gemeinschaft ist zeitlich strukturiert: auf administrativer Ebene durch die Sitzungen des Vorstandes und Generalversammlungen, auf religiöser Ebene durch regelmässige Gottesdienste und Festtage. Von Anfang an bindet die Gemeinschaft Kultusbeamte ein, sorgt für die religiöse Erziehung der Jugend und erwirbt eine Synagoge (1904) und einen jüdischen Friedhof (1910). Seit 1922, als Isidore Nordmann Vorsitzender der Gemeinde wird und die langjährige Präsenz dieser Familie an der Spitze der Gemeinde begründet, wird das Gemeindeleben aktiver und diversifizierter. Die CIF entwickelt vor allem ein soziales und karitatives Angebot, das ihren religiösen Wertbegriffen entspricht. Der soziale Charakter ihrer Tätigkeit wird durch die Einrichtung eines Gemeindezentrums (1974) und die Schaffung einer Freizeitkommission (1976) unterstützt. Eine kulturelle Dimension mit Vorträgen, Filmvorführungen, einer „Bibliothek auf Rädern“ und Hebräischkursen entwickelt sich ebenso. Später kommt es gelegentlich auch zu politischen Stellungnahmen. 1972 werden die Frauen, die zunächst in der „Damengesellschaft“ (1902) und der örtlichen Sektion der Weltorganisation zionistischer Frauen (WIZO, 1945) zusammengeschlossen waren, voll in die Gemeinschaft integriert.

Beziehungen zum Umfeld

Die Geschichte der Beziehungen der Gemeinschaft zu ihrem kantonalen Umfeld hat Licht- und Schattenseiten. Der im Kanton vorherrschende latente Antisemitismus tritt in zwei Formen in Erscheinung, einem gewöhnlichen, theoretisch nicht untermauerten Antisemitismus des täglichen Lebens und einem von intellektuellen Kreisen systematisch formalisierten und verbreiteten Antisemitismus. Die Judenfeindlichkeit wird in zähen Vorurteilen, ungerechtfertigten Assoziierungen und Verallgemeinerungen deutlich. Zeitweilig wird die Judenfeindlichkeit sehr heftig, vor allem in der Zeit des 2. Weltkrieges. Während des Krieges wird die CIF zur offiziellen Schutzorganisation der verfolgten Glaubensgenossen. Auf das Drängen politischer und behördlicher Instanzen gründet die Gemeinde die „Hilfsstelle für jüdische Flüchtlinge“, die nicht nur moralische, sondern auch finanzielle Unterstützung und Hilfe bei Behördengängen gewährt. Nach der bis dahin vorherrschenden Indifferenz kommt es in den Nachkriegsjahren zu einer Annäherung zwischen der jüdischen Gemeinschaft und zivilen Freiburger Stellen. Der Eingliederungsprozess der Gemeinschaft schliesst auch Kontakte zu leitenden Stellen der christlichen Gemeinden ein, die in den 60er Jahren in einem Dialog münden. Diese gesunde Neugier und Öffnung finden ihren Widerhall in der örtlichen Bevölkerung. Mit der Gewährung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Jahr 1990 wird der langjährigen Existenz der Gemeinde im Freiburger Raum und ihrer Gemeinnützigkeit ein Zeichen der Anerkennung gesetzt.

Autorin

Anne-Vaïa Fouradoulas, 2009

Literatur

Agustoni, Catherine; Colliard, Michel; Foerster, Hubert: Les Juifs en pays de Fribourg (Juden im Freiburger Land). Office du livre, Fribourg 1987.

Fouradoulas, Anne-Vaïa: La communauté juive à Fribourg et son environnement cantonal (1895-2000) (Die jüdische Gemeinde Freiburg und ihr kantonales Umfeld (1895-2000)). Université de Fribourg, coll. Aux sources du temps présent, Fribourg, 2007.

Rechtlicher Hinweis: Dieses Factsheet darf gesamthaft oder auszugsweise mit dem Hinweis «SIG Factsheet» zitiert werden

Abonnieren Sie jetzt die SIG News

Diese Website verwendet Cookies, um ein bestmögliches Nutzungserlebnis zu gewährleisten.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass je nach Ihren Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Diese Website verwendet Cookies, um ein bestmögliches Nutzungserlebnis zu gewährleisten.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass je nach Ihren Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert.