Seit 1995 ist der öffentliche Aufruf zu rassistischem Hass und Diskriminierung in der Schweiz verboten. Mit Artikel 261bis StGB wird deutlich gemacht, dass in diesen Fällen die Meinungsfreiheit ihre Grenzen kennt.
Der Art. 261bis StGB, der «Diskriminierung und Aufruf zu Hass» unter Strafe stellt, wurde 1994 in einer Volksabstimmung mit 54.6 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Die Schweiz wollte das Strafgesetzbuch um diesen Straftatbestand erweitern, um dem «Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung» beitreten zu können. Gegen das neue Gesetz wurde das Referendum ergriffen. 2020 wurde das Gesetz, ebenfalls nach einer Referendumsabstimmung, um die «sexuelle Orientierung» erweitert.
Diskriminierungsschutz bei Rasse, Ethnie, Religion und sexueller Orientierung
Mit der Rassismusstrafnorm werden Menschen geschützt, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise diskriminiert, bedroht oder herabgesetzt werden. Artikel 261bis StGB verbietet spezifische und besonders gravierende Formen solcher Ausgrenzungen im öffentlichen Raum: das Aufrufen zu Hass und Diskriminierung, die systematische Verleumdung und Herabsetzung, das Organisieren von Propagandaaktionen, das Herabsetzen oder Diskriminieren eines Menschen durch irgendeine Verhaltensweise — sei es Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeit — und die Verweigerung einer für die Allgemeinheit angebotenen Leistung. Ebenfalls strafbar sind die Leugnung oder Verharmlosung von Völkermord und schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Verstösse gegen die Rassismusstrafnorm sind Offizialdelikte
Vergehen gegen die Rassismusstrafnorm sind Offizialdelikte und bedürfen deshalb zur Verfolgung keiner Klage. In der Praxis ist eine solche Klage aber unumgänglich, weil damit die Information erst bekannt wird und die Behörden aktiv werden können. Strafbar sind nur Vorfälle, die in der Öffentlichkeit passieren. Weiterhin unbestraft bleiben also entsprechend diskriminierende Handlungen oder Aussagen, die sich zum Beispiel im Familien- oder Freundeskreis abspielen. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus führt eine Liste von Fällen zu Art. 261bis. Stand 2019 hat die Kommission Kenntnis von 935 Fällen seit 1995, die bei den zuständigen Behörden eingegangen sind. Zu einer Verurteilung kam es in 62 Prozent der Fälle, in 38 Prozent zu einem Freispruch, einer Einstellungsverfügung oder einer Nichtanhandnahme. In einem Viertel der Fälle waren die Opfer Jüdinnen oder Juden.
Die Rassismusstrafnorm hat sich bewährt
Obwohl Artikel 261bis StGB 1994 vom Volk klar angenommen worden war und sich auch in der Anwendung bewährt hat, ist es wiederholt zu politischen Vorstössen gekommen, um ihn abzuschaffen oder einzuschränken. So scheiterte eine von der Partei der Schweizer Demokraten lancierte Volksinitiative zur Streichung des Artikels bereits im Sammelstadium. Weitere Vorstösse wurden bisher eingestellt oder abgelehnt. Die Erweiterung um die «sexuelle Orientierung», vom Volk Anfang 2020 angenommen, zeigt, dass die Rassismusstrafnorm auch in Zukunft ein wichtiges Element in der Bekämpfung von Diskriminierung und Ausgrenzung ist.
Diskriminierung und Aufruf zu Hass — Art. 261bis StGB
Der Artikel im vollen Wortlaut.
Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen zu Hass oder Diskriminierung aufruft,
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.