Das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Sammlung E.G. Bührle haben an einer Medienkonferenz eine starre Verteidigung ihrer bisherigen Haltung gezeigt. Dazu entstand der Eindruck eines zweifelhaften Geschichtsbewusstseins. Diese wenig sensible erneute Positionierung von Kunsthaus und Stiftung sind für den SIG irritierend und in Teilen erschreckend.
Gestern haben das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Sammlung E.G. Bührle an eine Medienkonferenz eingeladen und zur Kritik an der umstrittenen Sammlung Stellung genommen. Dabei haben die Vertreter von Kunsthaus und Bührle-Stiftung ihre bisherige Haltung in Bezug auf den Dokumentationsraum und die nach eigener Meinung ausreichende Provenienzforschung der Sammlung verteidigt. Gleichzeitig wurde eine teilweise sehr verzerrte Darstellung der historischen Tatsachen präsentiert. Diese wenig konstruktive und unnachgiebige Haltung, das zweifelhafte Geschichtsbewusstsein und die offenbar mangelnde Sensibilität sind für den SIG erschreckend.
Mangelndes historisches Verantwortungsgefühl
Besonders schwer nachvollziehbar ist das Beharren auf einem Geschichtsbild, das die Ergebnisse der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg, die sogenannte «Bergier Kommission», in keiner Weise berücksichtigt. Dazu gehören Aussagen, die die Rolle der Schweiz als bedeutende Drehscheibe von Raubkunst und Fluchtgut relativieren. Es ist allgemeinhin bekannt und mittlerweile historisch aufgearbeitet, dass der Schweizer Staat Jüdinnen und Juden und anderen Minderheiten auch in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs zu wenig Sicherheit und Schutz bot und sie oft auch nicht vor dem Tod in von Nazideutschland besetzten Ländern bewahren konnte. Hinzu kommen Tausende von Menschen, die auf der Flucht an den Schweizer Grenzen abgewiesen und oftmals in den sicheren Tod geschickt wurden. Umso mehr kommt gerade deshalb dem Fluchtgut in der Schweiz eine so wichtige Bedeutung zu und muss jeder Einzelfall, genauso wie es bei Raubkunst gemacht wird, auf seine Provenienz hin untersucht werden.
Ebenso wenig sind sich die Vertreter von Kunsthaus Zürich und Bührle-Stiftung ihrer Verantwortung bewusst, die sie indirekt eingegangen sind, als die Schweiz 1998 die Erklärung von Washington und 2009 die Erklärung von Theresienstadt mitunterzeichnet haben. Diese besagen eben, dass die Provenienz jedes Einzelfalles abgeklärt werden muss, damit faire und gerechte Lösungen hinsichtlich einer Rückgabe oder einer Entschädigung von Kunstwerken gefunden werden können. Hier ist es unerlässlich, dass das Kunsthaus Zürich dem Beispiel des Berner Kunstmuseums folgt und «Fluchtgut» als «NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut» anerkennt.
Expertengremium zur Evaluation der Bührle-Sammlung gefordert
Zu begrüssen ist es, dass die Zürcher Kunstgesellschaft als Trägerschaft des Kunsthauses und die Bührle-Stiftung nun endlich einer breit geäusserten Forderung nachkommen, die ein unabhängiges Expertengremium verlangt. Dieses soll die Herkunft der Bilder aus der Sammlung überprüfen. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Vertreter des Kunsthauses Zürich und der Bührle-Stiftung bereit sind, von ihrem jetzigen starren Standpunkt und ihrer sehr eigenen Wahrnehmung der Geschichte abzurücken. Zudem wurde in Aussicht gestellt, dass an einer Lösung gearbeitet werde, damit der Leihvertrag zwischen Kunstgesellschaft und Bührle-Stiftung zumindest teilweise im neuen Jahr der Öffentlichkeit vorgelegt wer-den könne. Das würde das Vertrauen in die beteiligten Institutionen teilweise wiederherstellen. Damit und mit der Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums wären zwei Forderungen des SIG erfüllt.
Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter ist zwingend nötig
Der SIG setzt sich zurzeit stark für die Umsetzung einer parlamentarischen Motion ein, die eine unabhängige nationale Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter fordert. Die Debatte um die Bührle-Sammlung zeigt, dass die Einsetzung einer solchen Kommission zwingend nötig ist. In Zukunft muss jeder Einzelfall geprüft und bei gerechtfertigten Forderungen entsprechend restituiert werden. So wie dies die internationalen Abkommen vorsehen.
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