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«Wir müssen eine Gesellschaft aufbauen, in der Bildung zu Toleranz und Respekt führt.»

Heute wird die 112. Delegiertenversammlung des SIG in Lausanne eröffnet, am Morgen fand bereits die Medienkonferenz statt. Während Herbert Winter die Sicherheit der Juden in der Schweiz thematisierte, sprach Pinchas Goldschmidt, der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, über die Sicherheitssituation in Europa. Goldschmidt rief in seinem Beitrag dazu auf, die Religionsfreiheit nicht einzuschränken.

Als Europäer müssen wir eine Entscheidung treffen: Wie soll Europa in der Zukunft aussehen? Dies ist weder eine politische Entscheidung noch eine wirtschaftliche Wahl. Es ist eine Entscheidung über uns und unsere Gesellschaft.

Viele Juden in Europa fühlen sich von allen Seiten bedroht. Synagogen sind keine sicheren Orte mehr, wo man betet und feiert. Viele Juden haben immer den Gedanken im Hinterkopf, was alles passieren könnte. Leider sind in Kopenhagen und Paris die schlimmsten Befürchtungen Realität geworden.

Ich werde oft gefragt: Weshalb hast du als religiöse Führungsperson das Bedürfnis, dich in die Sicherheitsdebatte einzubringen? Die Antwort ist: Wenn ich mit Juden aus ganz Europa spreche, ist die Sicherheit ihre grösste Sorge. Ich würde meine Verantwortung für unsere Gemeinden nicht wahrnehmen, wenn ich diese Sorgen ignorieren würde.

Wenn wir heute in Europa herumschauen, sehen wir viele Entwicklungen, die uns jüdischen Leadern Angst machen. Der Rechtsextremismus nimmt zu, in den Social Media grassiert der Antisemitismus. Wir alle sind uns allzu bewusst, dass der islamistische Extremismus unseren Kontinent bedroht. Als religiöse Führungsperson betone ich immer wieder, dass wir gegen jede Form von Extremismus kämpfen müssen.

Auf der einen Seite werden unsere Synagogen, unsere Schulen, unsere Museen, alten und jungen Leute von radikalen Islamisten aus dem Nahen Osten angegriffen und getötet. Auf der anderen Seite beeinflusst die Reaktion des säkularen „alten Europas“ auf diese Gefahr auch die jüdische Gemeinschaft. Doch anstatt die Radikalen zu bekämpfen, hat das „alte Europa“ den Bau von Minaretten und das Tragen traditioneller Verschleierung der Frauen verboten und versucht, Halal-Fleisch und Beschneidung zu verbieten. Der Islam wird wohl das primäre Ziel der zukünftigen xenophoben Kampagnen sein, aber auch die europäischen Juden tragen einen „Kollateralschaden“ davon.

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat Europa versucht, die Religionsfreiheit zu schützen. Doch in den letzten Jahren war unsere erste Reaktion auf den Extremismus, schrittweise die Religionsfreiheit einzuschränken. Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere westlichen demokratischen Werte zerstört werden. Wir müssen eine Gesellschaft aufbauen, in der Bildung zu Toleranz und Respekt führt.

Ich möchte den Regierungen danken, die das europäische Judentum unterstützen. Den Regierungen, welche die Sicherheit unserer Synagogen, Schulen und Gemeindezentren gewährleisten. Polizeischutz ist nicht selbstverständlich. In den letzten Monaten haben wir in Europa einen beunruhigenden Trend beobachtet: Manche Regierungen haben Polizisten zurückgezogen, die vor unseren Synagogen stationiert waren, weil sie andere Ziele bewachen mussten. Es herrscht Mangel an Polizeikräften. Eine bereits gefährdete Gemeinschaft wird dadurch noch höheren Risiken ausgesetzt. Wir, die religiösen Leader, müssen dagegen unsere Stimme erheben. Wir sollten nicht in Angst beten müssen.

Ohne staatliche Finanzierung kann unsere Gemeinschaft nicht genug geschützt werden und wird ein leichtes Ziel. Aber Geld allein reicht nicht aus. Wir brauchen wirksame Abschreckungsmassnahmen und harte Strafen für Terroristen. Wir brauchen Gewissheit, dass die Justiz Diskriminierung ernst nimmt. Wir müssen sicherstellen, dass antisemitische Hetze und Verbrechen nicht straflos bleiben.

Doch damit sich wirklich etwas verändert, braucht es mehr als nur Interventionen der Regierungen. Neue Gesetze einzuführen ist ein erster Schritt. Und wir als Individuen müssen die Entscheidungsträger dazu zu bringen, das Land zu verbessern.

Religionsfreiheit ist das Herzstück, welches Europa exemplarisch vertritt. Wir müssen zusammenstehen und dafür sorgen, dass diese Säule der Gesellschaft nicht zerstört wird. Wir Juden waren immer ein integraler Teil dieses Kontinents und wir müssen sicherstellen, dass es so bleibt.

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