Der SIG und die ICZ gründen mit Unterstützung von Kanton und Stadt Zürich eine Stiftung zur Restaurierung der «Breslauer Schriften»

Die «Breslauer Schriften» sind eine bedeutende Sammlung von Büchern. Sie stellen ein Kulturerbe von nationaler Bedeutung dar. Eine Restaurierung der Sammlung ist notwendig. Zu diesem Zweck sowie zur Vermittlung und Zugänglichmachung der Sammlung soll eine Stiftung errichtet werden. Kanton und Stadt Zürich unterstützen das Vorhaben.
In einem Schreiben an die Direktion der Justiz und des Innern JI des Kantons Zürich vom 16. Juni 2022 bekräftigten der SIG und die Israelitische Cultusgemeinde Zürich ICZ ihre Absicht, die Breslauer Schriften in der Schweiz in ihrem Bestand zu erhalten, diese langfristig aufzubewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In der Folge gründeten SIG und ICZ auf den 1. September 2022 die Interessengemeinschaft «Schweizer Breslauer Bestände».
Im Rahmen eines Vorprojekts wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Status der Breslauer Schriften insbesondere aus rechtlicher, historischer und politischer Sicht untersucht. Das Gutachten empfiehlt, das Eigentum an den Breslauer Schriften in eine Stiftung zu überführen, deren Zweck die Restaurierung, Vermittlung und Zugänglichmachung des Schriftguts sein soll.
Im Februar 2025 teilten SIG und ICZ der JI im Namen der IG «Schweizer Breslauer Bestände» die Absicht mit, die Breslauer Bestände zur Restaurierung, Digitalisierung und Zugänglichmachung in eine Stiftung zu überführen bei gleichzeitigem Verbleib in der ICZ-Bibliothek. Der SIG ist sich dabei der Verantwortung bewusst, die ihm mit der Übertragung der Breslauer Schriften vor 75 Jahren zugesprochen wurde. Er spricht sich deutlich dafür aus, die Breslauer Schriften zu erhalten und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Allein können der SIG und die ICZ aber diese Verantwortung und die finanziellen Konsequenzen nicht tragen. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat daher in der Folge am 18. Juni 2025 die JI beauftragt, das Projekt zu begleiten und finanziell zu unterstützen.
Breslauer Schriften
Das Jüdisch-Theologische Rabbinerseminar in Breslau wurde 1854 gegründet. Es entwickelte sich seither zu einer der wichtigsten jüdischen Bildungseinrichtungen in Europa. Bis 1937 umfasste die Bibliothek rund 40’000 zumeist hebräische Bände und enthielt sowohl Thora- und Talmud-Literatur als auch Werke der klassischen Literatur, Philosophie, Philologie, Astronomie und Mathematik sowie christliche Schriften. Die Sammlung ist sowohl ein lebendiger Beweis für die blühende jüdische Kultur, die vor dem Zweiten Weltkrieg im deutschsprachigen Raum existierte, als auch ein Zeugnis der deutsch-jüdischen Assimilation in die allgemeine deutsche Kultur. 1938 wurde das Seminar von den Nationalsozialisten geschlossen, geplündert und vollständig zerstört.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die Alliierten, jüdisches Kulturgut soweit wie möglich wieder zusammenzutragen und zu erhalten. Dieses Kulturgut umfasste beispielsweise Archive, Bibliotheken, Ritualgegenstände und Kunst, wobei letztere gesondert geregelt und behandelt wurde (Raub- und Beutekunst). Für einen Teil dieses Kulturguts konnten keine Nachfolger oder Erben ermittelt werden. Die Verwaltung und Verteilung dieses Kulturguts erfolgte durch die Commission on European Jewish Cultural Reconstruction Inc. JCR unter der Leitung der damaligen Direktorin Hannah Arendt. Zu dem vom JCR verwalteten Kulturgut gehörten auch die Bücher aus der Bibliothek des Breslauer Jüdisch-Theologischen Seminars (Breslauer Schriften).
Die Bibliothek der ICZ ist als Ganzes im Kulturgüterschutzinventar des Bundes als Objekt von nationaler Bedeutung (A-Objekt) eingetragen. Das Kulturgüterschutzinventar des Bundes dient als Grundlage für die Planung der Schutzmassnahmen vor Gefahren bei bewaffneten Konflikten, Katastrophen und Notlagen.
Aus der Geschichte und Bedeutung der Breslauer Schriften ergibt sich eine Verantwortung für den SIG, die ICZ und die Gesellschaft: Mit deren Restaurierung, Vermittlung und der Sicherstellung einer breiteren Zugänglichkeit kann das Bewusstsein geschärft werden, welche Bedeutung diese aussergewöhnliche Sammlung besitzt. So sind einerseits unter den Büchern rare Einzelstücke enthalten. Andererseits steht die Sammlung als Ganzes für die versuchte Zerstörung des europäischen Judentums wie auch für den erfolgreichen Wiederaufbau der jüdischen Kultur in Europa. War es das Ziel der Nationalsozialisten, über den Holocaust hinaus eine ganze Kultur auszulöschen, so sind die Relikte der einst grossen Bibliothek des Breslauer Rabbinerseminars auch «Überlebende» der Schoah. Dass der Kanton und die Stadt Zürich das Projekt unterstützen, unterstreicht die Stellung der «Breslauer Schriften» als Kulturgut von nationaler Bedeutung.
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Weitere Informationen
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Gutachten zu den Breslauer Schriften
von Andrea F. G. Raschèr und Olaf S. Ossmann, Zürich/Winterthur 2024
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Zusatzfragen zum Gutachten zu den Breslauer Schriften
von Andrea F. G. Raschèr und Olaf S. Ossmann, Zürich/Winterthur 2024
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Zum Beschlusss des Regierungsrats des Kantons Zürich
RRB-Nr. 652/2025
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