Das Judentum fusst auf den Lehren der Thora, des Talmuds und orientiert sich an den jüdischen Gesetzen der Halacha. Es gibt unterschiedliche religiöse Strömungen und eine Vielzahl von Schattierungen.
Die jüdische religiöse Tradition ist eine Ein-Gott-Religion. Die Überlieferungen des jüdischen Volkes teilen sich auf in eine schriftliche Lehre, die in der Thora niedergelegt ist, und eine mündliche Lehre, die im Talmud diskutiert wird. Das jüdische Gesetz, auch Halacha genannt, basiert auf der schriftlichen und mündlichen Lehre des Judentums und auch auf rabbinischen Gesetzgebungen, die im Laufe der Zeit verfasst wurden. Die Halacha wird in einem Regelwerk, dem Schulchan Aruch, zusammengefasst. Dieses enthält den gesamthaft heute gültigen jüdischen Gesetzeskodex, dem religiöse Juden und Jüdinnen folgen und nach dem sie ihren Alltag ausrichten.
Religiöse Strömungen
Das Judentum in der Schweiz, wie auch im Allgemeinen, besteht aus mehreren Strömungen, welche die Gesetze des Judentums teils unterschiedlich auslegen. Daher gibt es nicht ein einheitliches oder allgemeingültiges Judentum, sondern ein breites Spektrum an unterschiedlichen Strömungen.
Streng-orthodox
An einem Ende des Spektrums sind strengreligiöse Auslegungen anzusiedeln, die einen orthodoxen oder streng-orthodoxen Lebensstil verlangen. Der Alltag und die Lebensführung dieser jüdischen Menschen sind durch die jüdischen Gesetze der Halacha klar geregelt. Viele von ihnen tragen Kleider, die ihre Vorfahren in osteuropäischen Ländern trugen, um ihre Traditionen weiterzuführen. Dazu zählen auch die Schläfenlocken. Andere streng-orthodoxe Juden und Jüdinnen, zum Beispiel solche mit westeuropäischem Hintergrund, sind äusserlich dagegen nicht immer also solche zu erkennen.
Modern-orthodox
In der modern-orthodoxen Strömung werden ebenfalls die jüdischen Gesetze befolgt, deren Mitglieder sind äusserlich aber weniger oft und gut erkennbar. Manche tragen eine Kippa, andere nicht. Die Mehrzahl der Gemeinden in der Schweiz haben religiös eine modern-orthodoxe Ausrichtung, insbesondere die Einheitsgemeinden wie die Israelitische Cultusgemeinde Zürich, die Communauté Israélite de Genève oder die Israelitische Gemeinde Basel, die auch die drei mitgliedreichsten jüdischen Gemeinden in der Schweiz sind. Mit der modern-orthodoxen Ausrichtung folgen sie den jüdischen Gesetzen der Halacha. Die Einhaltung der jüdischen Speisegesetze und der religiös verordneten Ruhetage ist ihnen sehr wichtig. Die Gemeinden sind jedoch für alle religiösen und kulturellen Schattierungen des Judentums offen. Die Einhaltung der jüdischen Gesetze unter Jüdinnen und Juden in den Einheitsgemeinden variiert stark und reicht von einer modern-orthodoxen Lebensführung bis zum gänzlichen Verzicht auf die Befolgung der jüdischen Gesetze.
Säkular
Den grössten Teil der jüdischen Gemeinschaft machen säkulare Jüdinnen und Juden aus. Manche von ihnen halten gewisse religiöse Regeln und Traditionen ein. So lassen sie ihre Knaben beschneiden, feiern die jüdischen Feiertage und essen oftmals auch kein Schweinefleisch. Es gibt aber auch säkulare jüdische Menschen, für welche die Religion überhaupt keine Rolle spielt. Für diese sind nicht die religiösen Religionsgesetze, sondern, wenn überhaupt, die jüdische Tradition und Kultur von Bedeutung.
Weitergabe der Religion
Statistisch gelten diejenigen als Juden, die sich selbst als solche bezeichnen. Das orthodoxe Judentum definiert, dass lediglich die Mutter die Religion weitergibt, das liberale kennt auch eine Weitergabe der Religion durch den Vater. Dabei ist es in allen jüdischen Strömungen nebensächlich, ob die Person die jüdische Religion auslebt oder nicht. Wenn eine Person als Jude geboren ist, gilt sie als Jude. Das Judentum kennt ausserdem keinen Missionsauftrag wie andere Religionen. Trotzdem ist der Übertritt zum Judentum grundsätzlich möglich, was als Giur bezeichnet wird. Dem Giur geht ein längerfristiger Übertrittsprozess mit einem anschliessenden Entscheid eines Rabbinatsgerichts voraus.
Verteilung
Heute leben rund 14,5 Millionen Juden weltweit. Über 80% aller jüdischen Menschen leben heute in Israel und in den USA. 19 Länder haben Gemeinschaften mit über 18'000 Juden. Neben Kanada und Argentinien finden sich weitere grosse jüdische Gemeinschaften in Europa, zum Beispiel in Frankreich, Grossbritannien und in Deutschland. Die Schweiz taucht erst auf Platz 18 der Rangliste der grössten Gemeinschaften auf und zählt rund 18'000 Juden. Eine Mehrheit der Juden ist säkular-traditionell. Das heisst, dass sie äusserlich als Juden nicht erkennbar sind, ein säkulares Leben führen, aber trotzdem manche religiösen Gesetze einhalten. Die jüdischen Gemeinschaften in den verschiedenen Ländern Europas unterscheiden sich je nach Geschichte oder jüdischen Ballungszentren. Die Zahl der streng-orthodoxen Juden wird weltweit auf 10% aller Juden geschätzt. Zentren des streng-orthodoxen Judentums befinden sich unter anderem in New York, London, Manchester, Antwerpen, Strassburg, Wien und Zürich.
Dieser Artikel gibt nur einen groben Einblick in die vielen Schattierungen und Merkmale des Judentums. Für einen tiefergehenden Blick werden die SIG-Factsheets zum Thema Religion und die folgende Literaturliste als Lektüre empfohlen.
-
Weitere Informationen
Literatur
Cohn-Sherbok, Dan 2017: Judaism. History, Belief and Practice, London: Routledge.
Galley, Susanne 2006: Das Judentum, Frankfurt: Campus.
Kilcher, Andreas B./ Fraisse, Otfried (Hg.) 2003: Lexikon jüdischer Philosophen. Philosophisches Denken des Judentums von der Antike bis zur Gegenwart, Stuttgart: J. B. Metzler Verlag.
Stemberger, Günter 2017: Einführung in die Judaistik, München: C.H.Beck.
Stemberger, Günter 2009: Das klassische Judentum. Kultur und Geschichte der rabbinischen Zeit, München: C.H.Beck.