Der SIG kann die Haltung des Presserats gegenüber BDS nicht nachvollziehen
Ein Artikel von Prime News zu BDS wurde vom Schweizer Presserat gerügt. Der Presserat irritiert in seinem Urteil mit einer kritiklosen und fast parteilichen Haltung gegenüber BDS.
Der Presserat hat Mitte Juli das Onlineportal Prime News für einen Artikel zur BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition und Sanktionen) gerügt. Der Artikel wurde am 30. Oktober 2020 publiziert. Im Haupttext selbst hatte der Autor BDS als «antisemitisch», «antisemitisch gefärbt» oder «von vielen Experten als antisemitisch eingestuft» bezeichnet. In einem Zusatztext fasst der Autor weitere Kritikpunkte an BDS zusammen. Der Presserat hat sich nun auf die Seite einer Beschwerdeführerin gestellt und den Journalisten wegen «Verletzung der Wahrheitspflicht» gerügt. Der SIG kann diese Rüge nicht nachvollziehen.
BDS wird von unterschiedlichsten Akteuren antisemitische Züge attestiert
Insbesondere die Herleitung des Urteils durch den Presserat ist für den SIG befremdlich und irritierend. BDS behauptet, den Staat Israel und seine Vertreterinnen und Vertreter mit seinen Boykottaufrufen und -massnahmen treffen zu wollen. Tatsächlich nimmt sie regelmässig auch Individuen, israelische Staatsangehörige, ins Visier. In diesen Fällen geht es BDS um den Boykott der Bürgerinnen und Bürger des jüdischen Staates. Dass hier Assoziationen an das «Kauf nicht bei Juden» der Nazis geweckt werden können, ist nachvollziehbar. BDS versteht sich als ein weltweites Netzwerk, dem auch radikale Gruppierungen angehören, die international als Terrororganisationen gelistet sind. So wurde und wird in diesem Umfeld, wie auch innerhalb der BDS-Bewegung, wiederholt Israel das Existenzrecht abgesprochen. Diese Kritikpunkte haben in der Folge dazu geführt, dass BDS seitens jüdischer Organisationen, von Medien oder von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und Politik antisemitische Züge attestiert wurden. Der Schweizer Ableger von BDS versucht seit Jahren diese Kritikpunkte zu entkräften, ohne am ideologischen Unterbau oder an den Methoden etwas zu ändern.
Der Presserat bedient sich der Argumentation der BDS
Der SIG hält es für sehr bedenklich, dass sich der Presserat in seiner Herleitung der BDS-Argumentation bedient und diese kritiklos übernimmt. Dies kommt einer Reinwaschung von BDS nahe. Prime News wird vorgeworfen, unsachgemäss berichtet, Expertenmeinungen nicht berücksichtigt und gar irreführende Antisemitismusdefinitionen verwendet zu haben. Aus Sicht des SIG ist es umgekehrt. Der Presserat ignoriert die international und seit kurzem auch von der offiziellen Schweiz anerkannte Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance IHRA. Er verlässt sich auf Verlautbarungen von BDS und unterschlägt anderslautende Lehrmeinungen. Besonders stossend ist die Aussage des Presserats, dass es umstritten sei, ob die Ablehnung von Israels Existenzrechts antisemitisch sei. Seriöse Stellen, darunter die IHRA, sehen dies als antisemitisch an.
Der SIG kann die Schlussfolgerungen des Presserates nicht nachvollziehen
Der SIG kann nicht nachvollziehen, weshalb der Presserat auf eine kritische Betrachtungsweise der BDS weitgehend verzichtet. Es entsteht der Eindruck, der Presserat wolle die kritische Berichterstattung eines Journalisten untergraben. Der österreichische Presserat kam 2020 bei einem ähnlichen Fall zu einer völlig konträren Schlussfolgerung: Einerseits sei «antisemitisch» als Wertung der ideologischen Gesinnung zulässig und anderseits beruhe diese Wertung gegenüber BDS auf einer sachlichen Grundlage. Der SIG vertritt hier eine klare Haltung: Die Handlungsmuster und Methoden der BDS-Bewegung haben einen eindeutig antisemitischen Anstrich und dürfen und sollen auch als solche bezeichnet werden.