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Ein Blick zurück mit Sabine Simkhovitch-Dreyfus

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR geht ihrem Auftrag nun schon bereits seit einem Vierteljahrhundert nach. Ganze zwölf Jahre davon war Sabine Simkhovitch-Dreyfus Mitglied und auch Vizepräsidentin dieser wichtigen ausserparlamentarischen Kommission.

Als Vizepräsidentin des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG vertrat sie in dieser Institution die jüdische Gemeinschaft. Mit Engagement und einem starken Willen brachte sie ihre Erfahrungen und Expertise erfolgreich ein. Ende 2019 schied sie aufgrund der Amtszeitbeschränkung aus diesem wichtigen Gremium aus und blickt nun im Interview auf diese ereignisreiche Zeit zurück.

Sie waren zwölf Jahre lang Vizepräsidentin der ERK. Wie hat sich in dieser Zeit Rassismus als Phänomen gewandelt?

Als Folge des Aufstiegs des Dschihadismus und mit den zahlreichen Attentaten hat vor allem die Islamophobie zugenommen. Gleichzeitig haben wir aber das Erstarken von Antisemitismus aus muslimischen Milieus beobachtet. In den letzten Jahren sind auch ein Wiederaufleben rechtsextremen Gedankenguts und eine Zunahme antisemitischer Übergriffe auf der ganzen Welt zu verzeichnen.

Diese Zeit war geprägt durch das neue Ausmass, in dem das Internet und insbesondere die sozialen Medien für den Austausch und die Verbreitung von positiven und negativen Meinungen und Haltungen immer wichtiger geworden sind. Auf diesen Plattformen hat sich Hassrede mit bisher unbekannter Schärfe breit gemacht. Auch werden Unwahrheiten benutzt, um die Bevölkerung zu beeinflussen.

Wie hat die EKR darauf reagiert?

Die EKR hat reagiert und sich zu aktuellen Themen geäussert. Sie hat das in dieser Zeit regelmässig getan, zum Beispiel durch die Ablehnung der Minarett-Initiative. Auch hat sich die Kommission in ihren Studien und Veröffentlichungen mit solchen Fragen befasst. Sie gab beispielsweise eine Studie über die Qualität der Medienberichterstattung über Muslime in der Schweiz in Auftrag. Eine Ausgabe von Tangram, der auf die Untersuchung und Analyse von Rassismus in der Schweiz spezialisierten Zeitschrift der EKR, widmete sich dem Antisemitismus. Die Kommission kümmerte sich aber auch um andere Formen von Ausgrenzung, zum Beispiel gegen Roma oder Schwarze, was in der Schweiz leider immer noch aktuell ist.

Sie waren Vizepräsidentin der EKR und gleichzeitig, als SIG-Vizepräsidentin, Vertreterin der jüdischen Minderheit. Haben sich dadurch Spannungsfelder ergeben?

Als Vertreterin der jüdischen Minderheit war es meine Aufgabe, das EKR-Präsidium für die Problematik des Antisemitismus zu sensibilisieren und auf unsere damit zusammenhängenden Erwartungen aufmerksam zu machen. Durch meine Doppelfunktion in beiden Institutionen konnte ich eine Synergie erzielen, die vorher nicht existierte, da ich täglich in beide Arbeitsprozesse eingebunden und frühzeitig über die jeweiligen Ansätze und Anliegen informiert war.

Meine Arbeit in der Kommission und im EKR-Präsidium beschränkte sich aber nicht auf Antisemitismus. Vielmehr gab sie mir die Möglichkeit, eine breitere Perspektive einzunehmen und neue Fachkenntnisse über Rassismus und Diskriminierung in der Schweiz zu gewinnen. Es lag mir am Herzen mich auch gegen die Diskriminierung anderer Minderheiten einzusetzen. Die Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Minderheiten war entsprechend sehr gut.

Was würden Sie als grösste Herausforderung der letzten Jahre bezeichnen?

Eine der grössten Herausforderungen war der politische Kontext in der Schweiz. Dieser hat sich für einen besseren Schutz vor Diskriminierung und die Schaffung von Voraussetzungen für eine echte Präventionspolitik des Bundes nicht günstig ausgewirkt. Keine ausserparlamentarische Kommission wurde so sehr und oft in Frage gestellt wie die EKR. Nur wenige Rechtsnormen wie die Rassismus-Strafnorm waren Gegenstand so vieler Anträge und anderer parlamentarischer Schritte, die auf ihre Abschaffung oder Einschränkung abzielten. Die Parlamentarier, die einen verstärkten Schutz befürworten, haben sich daher der Stimme enthalten, um deren Fortbestehen nicht zu gefährden.

Wir hatten oft den Eindruck, dass wir gegen den Strom schwimmen und mussten unsere Ambitionen zurückschrauben, um zu eruieren, was realistisch möglich ist.

Mit welchen Entwicklungen wird sich die EKR in Zukunft vermehrt auseinandersetzen müssen?

Die Kommission wird sich noch stärker darauf konzentrieren müssen, wie man Diskriminierung und Hassrede im Internet und in den sozialen Medien bekämpfen und verhindern kann. Dazu gehören auch Verschwörungstheorien, die in alarmierendem Masse immer häufiger auftreten.

In diesem Zusammenhang wird sie mehr als bisher mit anderen Akteuren, einschliesslich anderer ausserparlamentarischer Kommissionen, zusammenarbeiten müssen. Viele nötige Mechanismen und Präventionsmittel sind nicht nur auf das Thema Rassendiskriminierung beschränkt. Den kritischen Geist junger Menschen schärfen, jeden dazu ermutigen, nach dauerhaften Lösungen anstatt nach Sündenböcken zu suchen, Präventionsprogramme aufstellen, die Spass machen und gleichzeitig erzieherisch wirken – das sind einige der Aufgaben, deren sich unsere Gesellschaft annehmen muss.

Vor zwölf Jahren hatten Sie sicherlich bestimmte Vorstellungen zur Arbeit der EKR. Haben sich diese gewandelt und was haben Sie für sich persönlich mitnehmen können?

Ich begann meine Tätigkeit für die EKR zwölf Jahre nach ihrer Gründung. Nach der Verabschiedung der Rassismus-Strafnorm im Jahr 1994 dachte ich, wie andere auch, dass ich diese Arbeit durch die Einführung neuer Richtlinien und durch zusätzliche Mittel weiterentwickeln könnte. Der politische Kontext erlaubte dies nicht. Ebenso wenig erlaubte er es der EKR, den Status einer unabhängigen Kommission im Sinne der Pariser Prinzipien bezüglich des Status nationaler Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte zu erlangen. Trotz der für unser Land wichtigen Themen, zu denen wir uns einbringen konnten bleibt deshalb eine gewisse Frustration, denn insgesamt blieben die Ressourcen und Kompetenzen unzureichend.

Die Arbeit in dieser Kommission hat mich sehr bereichert und weitere Perspektiven eröffnet. Der Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten ist mir immer wichtig gewesen und wird es auch bleiben. Nicht zuletzt habe ich viel von der Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen im EKR-Präsidium, der Kommission und dem Büro sowie mit allen anderen Partnern aus Politik und Wissenschaft, die sich der Bekämpfung von Diskriminierung verschrieben haben, profitiert.

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