Verband

100 Tage im Amt – spannend, intensiv und herausfordernd

Der neue SIG-Präsident heisst nun schon seit hundert Tagen Ralph Lewin. Zusammen mit der neu zusammengesetzten Geschäftsleitung hat er in dieser kurzen Zeit bereits viele Eindrücke gewinnen können. Im Interview gibt Lewin Einblicke in Herausforderungen, Überraschungen und in die nahe Zukunft des Verbands.

Hundert Tage im Amt. Um wie viele Jahre sind Sie gealtert?

Circa hundert! (Lacht) Nein, nein. Es ist aber tatsächlich eine intensive und spannende Aufgabe. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass es in dieser ersten Phase deutlich intensiver war, als ich es mir vorgestellt hatte. Das ist eine Veränderung. Alle paar Tage passiert wieder etwas, mit dem ich bisher keine oder nur wenig Berührungspunkte hatte. Darum: Es ist spannend, intensiv und herausfordernd.

Macht Ihnen das Amt denn Spass?

Ja, sicher. Ich habe sehr spannende und berührende Begegnungen. Die Menschen sind wohlwollend und interessieren sich. Vielen Menschen, mit denen ich mich treffe, liegt die jüdische Gemeinschaft wirklich am Herzen. Sie wollen ihre Zusammenarbeit mit uns sorgfältig und gut machen. Das wurde mir bewusst. Den Stellenwert, den wir als kleine Gemeinschaft geniessen, im Dialog mit den Behörden, der Politik oder anderen Religionsgemeinschaften, ist gross.

Was war besonders intensiv?

Das waren sicher die vielen Medienanfragen zur Wahl und zu meiner Rolle als neuer SIG-Präsident. Was ist das für einer? Was will der? Dieses breite Medieninteresse hat mich tatsächlich überrascht. Es sind bestimmt auch die vielen Termine zu nennen, die wir zu bestimmten und konkreten Kernthemen des SIG bereits wahrnehmen konnten. Sicherheit, Antisemitismus oder auch Erinnerungskultur, es wurden schon einige Themen bei Treffen behandelt und weiter vorangetrieben. Was mir ebenfalls äusserst wichtig war, war die Kontaktaufnahme mit den Gemeinden und das so schnell wie möglich. Dreiviertel unserer Mitgliedgemeinden durfte ich bereits treffen, ob nun den Vorstand, die Präsidien oder Generalsekretäre. In Zürich war ich beispielsweise einen ganzen Tag lang im Kreis 3 unterwegs und konnte das jüdische Leben um unsere Mitgliedgemeinden IRG und Agudas Achim sowie drei Schulen im Umfeld dieser Gemeinden besuchen, eine davon als Baustelle. Die Dimensionen waren eindrücklich. Das war mir zuvor in diesem Ausmass nicht bewusst. Ganz wichtig erscheint mir, dass wir bereits mittendrin sind, die Bedürfnisse der Gemeinden abzuholen. Wir wollen wissen, wo der Schuh drückt und wo sie Unterstützung brauchen können. Die Anliegen und Anregungen wollen wir dieses Jahr in unsere Strategieüberlegungen für den Verband einfliessen lassen.

Was war besonders überraschend?

Nehmen wir zum Beispiel den Antisemitismusvorfall von 2019 in der Armee, der vor zwei Wochen prominent in den Medien war. Dieser hat grösste Aufmerksamkeit bei der Armee und der Armeespitze generiert. Ich hätte es nicht gedacht, dass auch bei so einem weiter zurückliegenden Fall die verantwortlichen Stellen derart empfänglich und offen für Gespräche sind. Diese Gespräche zwischen uns und ihnen waren wirklich gut. Gerade kürzlich gab es auch diesen Online-Übergriff auf die Jüdische Liberale Gemeinde. Da stellt sich sofort die Frage, wie wir damit umgehen, ob nun kommunikativ oder strafrechtlich. Eine weitere Anzeige mussten wir nun auch wegen der Verbreitung der «Protokolle der Weisen von Zion» eingeben. Dass es so etwas noch gibt und dass wir hier natürlich einschreiten, mit dem habe ich so schnell und unmittelbar doch nicht gerechnet. Die erste stark umstrittene politische Vorlage zum Verhüllungsverbot steht auch schon an. Dort setzen wir uns zusammen mit dem Rat der Religionen für die Religionsfreiheit ein – auch wenn das Verhüllungsverbot auf eine andere Glaubensgemeinschaft abzielt. Ich fand das schon zuvor wichtig und habe das sehr geschätzt, dass sich der SIG auch regelmässig gegen Muslimfeindlichkeit wendet. In einer relativ kurzen Zeitperiode habe ich also bereits überraschend viele Facetten der SIG-Arbeit kennenlernen und mitgestalten dürfen.

All diese Themen bearbeiten Sie nicht alleine. Wie hat sich das neue Team in der SIG-Geschäftsleitung zusammengefunden?

Gut! Ich meine, dass wir einen guten Draht zueinander gefunden haben. Es wäre aber wirklich besser gewesen, wenn wir uns auch mehr persönlich hätten treffen können. Vor allem in den letzten zwei Monaten sahen wir uns nur via Bildschirm. Natürlich geht das, auch erstaunlich gut. Ich bin es mir aber eigentlich gewohnt, auch dazwischen einmal informell mit meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern zu sprechen. Das ist ja auch am Arbeitsplatz so. Wir alle wissen doch wie wichtig der Treffpunkt bei der Kaffeemaschine ist. Aber es ist jetzt nun mal so und wir haben uns trotzdem finden können. Auch die Zusammenarbeit mit unserem Vizepräsidenten Ralph Friedländer ist sehr gut. Viele Themen und Dossiers besprechen und bearbeiten wir gemeinsam, so im Bereich Antisemitismus oder bei der Sicherheit. Da treten wir bei Gelegenheit als Team auf. Das funktioniert bestens.

Der Tiefpunkt war aber der Tod unseres Geschäftsleitungskollegen Edouard Selig. Das hat mich sehr stark getroffen. Er fehlt uns, als Mensch und auch inhaltlich.

Was steht in den nächsten hundert Tagen auf dem Programm?

Priorität hat sicher, dass wir, neben unseren Pflichtthemen wie Sicherheit und Antisemitismus, auch andere Themen stärker miteinbeziehen können. Da spreche ich konkret die Unterstützung der Gemeinden an. Das hat sich auch aus unseren Gesprächen mit ihnen ergeben. Gerade für die kleineren Gemeinden sind die Herausforderungen enorm, so im kulturellen Bereich oder bei der Jugend. Ich finde es wichtig, dass wir dort Unterstützung anbieten. Nach Aussen sollten wir die positiven Facetten des Judentums stärker in den Fokus nehmen und diese aufzeigen. Das ist nicht ganz einfach, vor allem im Vergleich mit den stark dominanten Themen Sicherheit und Antisemitismus. Das ist aber wichtig. Die Gemeinden können nicht alleine von der Bekämpfung des Antisemitismus und von der Sicherheit leben. Sie leben davon, dass es wieder mehr Leute gibt, die das jüdische Gemeinschaftsleben als etwas Positives sehen, den Gemeinden verbunden bleiben und sich engagieren. Das ist eine Herausforderung, das weiss ich. Wir werden sehen, wie wir dieses Ziel angehen können.

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