Aufruf zum Verzicht auf Holocaustvergleiche
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG ruft dazu auf, in der gesellschaftspolitischen Debatte auf Holocaustvergleiche oder Referenzen zum Nationalsozialismus zu verzichten. Eine Mässigung der Tonalität ist von allen gesellschaftlichen Gruppen gefordert.
Derzeit nehmen in der Schweiz in der politischen und gesellschaftlichen Debatte unangebrachte Vergleiche zum nationalsozialistischen Regime und zur Verfolgung und Ermordung der Juden während des Holocausts merklich zu. Insbesondere rund um die Kritik und Proteste gegen die vom Bundesrat und den Kantonsregierungen erlassenen Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist dies seit einigen Monaten zu beobachten. Bei Demonstrationen wurden wiederholt «Judensterne» mit der Aufschrift «ungeimpft» oder «Maskenattest» zur Schau getragen. Ebenfalls wurde des Öfteren der Vergleich gezogen, man fühle sich «wie die Juden im Zweiten Weltkrieg». Auch in der weniger radikalen gesellschaftspolitischen Debatte zu diesem Thema wurden entsprechende Formulierungen und Vergleiche verwendet. In der gleichen Zeitspanne tauchten derartige Referenzen auch in anderen Diskursen wie in Abstimmungskämpfen auf.
Der SIG fordert eine Mässigung der Tonalität
Solche Vergleiche zur Judenverfolgung, dem Holocaust oder dem nationalsozialistischen Schreckensregime sind nicht nur unangebracht, sondern geschmacklos. Sie banalisieren das Leid und den Schrecken der Opfer der Ausgrenzungs-, Vertreibungs- und Vernichtungspolitik dieser Zeit und des Nationalsozialismus. Diese Vorfälle zeugen nicht nur von mangelndem historischem Wissen, sie zeigen auch eine Verrohung und ein Aufweichen von Hemmschwellen im gesellschaftspolitischen Diskurs auf.
Der SIG ruft nachdrücklich dazu auf, auf solche Vergleiche und Formulierungen zu verzichten. Eine rege und auch hart geführte Diskussion der politischen und gesellschaftlichen Vorgänge und Themen in unserem Land ist wichtig. Dem müssen aber auch bestimmte Grenzen gesetzt werden. Eine dieser Grenzen ist, das unermessliche Leid und den Schmerz von Millionen von Menschen zu instrumentalisieren und damit zu missbrauchen. Es ist überhaupt angebracht, politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen nicht willentlich eskalieren zu lassen. Eine Debatte sollte, demokratischen Prinzipien folgend, konstruktiv, mässigend im Ton und im Dialog angegangen werden.