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Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried im Gespräch

Als Ehrengast der SIG-Delegiertenversammlung war der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried geladen. In seiner Rede hat er sich mit Sicherheit im öffentlichen Raum auseinandergesetzt. Wir haben ihm im Nachgang kurz zum Gespräch getroffen.

Sie haben erwähnt, dass in der Schweiz ein hohes Mass an Sicherheit herrscht. So braucht es beispielsweise relativ wenig Sicherheitskräfte und Bundesräte können sich unbewacht in der Bevölkerung bewegen. Als Grund haben Sie die integrierte Gesellschaft in der Schweiz genannt. Was meinen Sie damit?

Eine integrierte Gesellschaft ist eine sehr ausgewogene und offene Gesellschaft. Es ist eine Gesellschaft, in der jeder mit jedem gut auskommt, in welcher wir weder parallele noch abgeschlossene Gesellschaften haben, weder Gated Communities noch Ghettos. Wir bauen auf eine hohe Chancengerechtigkeit und garantieren so auch eine hohe soziale Durchlässigkeit. Das macht es schliesslich aus, dass wir in einer sehr freiheitlichen und offenen Gesellschaft leben können. Das ist einer der grössten Trümpfe der Schweiz.

In unserer pluralen Gesellschaft gibt es unzählige unterschiedliche Gruppen, die auch eine Vielzahl an ganz unterschiedlichen Ansprüche haben, so zum Beispiel an die Sicherheit. Wie gelingt es dem Staat all dies unter einen Hut zu bringen?

Das ist tatsächlich sehr schwierig. Einerseits haben wir Ansprüche an Freiheit. Andererseits kommen wir damit in ein Dilemma zwischen Freiheit und Sicherheit. Viel Sicherheit bedeutet eben auch, dass wir einen Teil unserer persönlichen Freiheit preisgeben müssen. Hier stellt sich nun die Frage, ob man das wirklich will. Darauf reagieren die Menschen sehr sensibel. Zusätzlich soll der Schutz und die körperliche und psychische Integrität eines jeden einzelnen sichergestellt werden. Hier einen Mittelweg zu finden und die richtigen Massnahmen zu treffen, ist eine sehr schwierige Aufgabe und ein Resultat eines permanenten Aushandlungsprozesses. Die eine Massnahme ist unter dem Eindruck eines gewissen Ereignisses vertretbar und wird auch akzeptiert. In einem anderen Zusammenhang wird sie anders und negativ bewertet. Darum führt auch kein Weg daran vorbei, dass man das richtige Verhältnis und Mass an Sicherheit und Freiheit immer wieder neu definiert.

Die jüdische Gemeinde hat auch ganz spezifische Ansprüche. Sei es nun in Bern oder in anderen Städten, die Sicherheit steht weit oben auf der Prioritätenliste – das auch unter Berücksichtigung der umfassenden Sicherheitsmassnahmen für jüdische Einrichtungen in den Nachbarländern. Welche Massnahmen haben Sie sich in diesem Bereich vorgenommen?

Man muss dabei beachten, dass wir hier in der Schweiz andere Voraussetzungen haben als in anderen Ländern. Während man beispielsweise in Frankreich auf eine beispiellose Polizeipräsenz setzt, sind wir in der Schweiz viel zurückhaltender. Dies betrifft nicht nur die jüdischen Gemeinden, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Wir haben hier ein anderes Level an Sicherheitsmassnahmen. Das finde ich auch richtig, weil dies eben zu einer gewissen Beruhigung und Normalisierung führt. Das ist Gegenkonzept zu einer Gesellschaft, die gewissermassen bis an die Zähne bewaffnet ist und dadurch einen martialischen Eindruck hinterlässt. Hingegen gilt es aufzupassen, wenn in jüdische Gemeinschaften der Eindruck entstehen sollte, dass diese grundsätzlich zu wenig beschützt würde. In diesem Fall müssten selbstredend zusätzliche Massnahmen getroffen werden, um diesem Sicherheitsbedürfnis zu entsprechen. So sind zum Beispiel Massnahmen, wie eine verstärkte Polizeipräsenz bei Synagogen oder bei Veranstaltungen der Gemeinde, sicher zu diskutieren, wenn dies das Sicherheitsgefühl stärken würde.

Die jüdischen Gemeinden tun sich oft schwer damit, ihr Bedürfnis nach einer erhöhten Sicherheit nach aussen zu erklären und zu legitimieren. Was würden Sie raten, wie diese Ängste und Bedürfnisse der Juden in der Schweiz besser formuliert und transportiert werden könnten?

Ich habe eher den Eindruck, dass sie das sehr gut formulieren können und wir das auch verstehen. Aus persönlichen Begegnungen, Gesprächen und dem historischen Kontext heraus verstehe ich diese Ängste und Bedürfnisse. Und diese sind legitim. Es ist sicher nicht hilfreich, diese Ängste zu verniedlichen oder sie gar als unberechtigt zu bezeichnen. Wenn man Angst hat, dann hat man eben Angst. Das ist ein Gefühl der Bedrohung und das ist ernst zu nehmen.

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