Prävention

Die Schoah im Unterricht vermitteln – ein Besuch in Auschwitz

Gegen 100 Lehrerinnen und Lehrer haben letzten Sonntag das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht. Die Erfahrungen werden an einer folgenden Praxistagung nochmals reflektiert. Die Weiterbildungsreise wurde vom SIG und der PLJS in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Luzern organisiert.

Es war kalt, windig und grau als die Schweizer Reisegruppe den drei Reisebussen entstieg. In Sichtweite lag das Torhaus des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Das Bild kennt man aus den Geschichtsbüchern. Dort warteten auch vier Museummitarbeiterinnen, um die Lehrer aus der Schweiz auf eine Führung durch das weitläufige Areal mitzunehmen. Gegen 100 Lehrerinnen und Lehrer aus der gesamten Deutschschweiz machten sich auf, um einen unverstellten und direkten Eindruck vom Leid zu bekommen, das an diesem Ort allgegenwärtig ist. Es ging entlang den Schienen und der Rampe, vorbei an den durchnummerierten Abschnitten der Baracken, bis schliesslich zu den Ruinen der Krematorien und Gaskammern, wo das Schaudern einen nicht mehr losliess. «Besonders beeindruckt haben mich die Grösse des Lagers und diese Weitläufigkeit», meint Veronika Bosnjak, Geschichtslehrerin an der Sekundarschule Beringen. «Man sieht die Fotos, wie es war, und steht dann auch wirklich dort – das berührt.»

Die Schoah im Unterricht greifbar machen

Die Reise nach Auschwitz ist ein Teil einer zweiteiligen Weiterbildung für Lehrpersonen aus der Deutschschweiz. Der zweite Teil beinhaltet eine Praxistagung der Pädagogischen Hochschule Luzern. Organisatoren sind der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz PLJS. Der Besuch soll den Lehrerinnen und Lehrern dabei helfen, das Ausmass der Schoah den Schülerinnen und Schülern vermitteln zu können. Der Besuch vor Ort soll Erfahrungen bieten und Wirkungen auslösen, die mit Büchern und Fachliteratur nicht vermittelt werden können. Ziel ist es, dass junge Menschen im Unterricht verstehen, warum die Leiden der Opfer und die Verbrechen der Nazis nie vergessen werden dürfen. Die Teilnehmenden werden sich an der Praxistagung damit beschäftigen, wie historische Fakten, Erkenntnisse und Erinnerungskultur verstanden und verknüpft werden und wie sie Erfahrungen, Erinnerungen und Geschichte im Unterricht vermitteln können.

Bücher können die persönliche Erfahrung nicht ersetzen

Am Nachmittag folgte der Besuch des Stammlagers Auschwitz. Am Morgen dominierten noch die Trostlosigkeit und der Schwermut. Das eigene Vorstellungsvermögen reichte nicht aus, um zu begreifen. Am Nachmittag war es die Konfrontation mit den vielen noch erhaltenen Hinterlassenschaften, die tief greifenden Einfluss auf den Betrachter hatten. Es waren keine Ruinen, die man da sah. Die Gaskammern und Krematorien stehen heute noch und sind betretbar. Die Schuhe, auch von Kindern, die Bürsten und die Haare, machten die Geschehnisse greifbar und liessen die Teilnehmenden betroffen und nachdenklich zurück. «Der Moment, als ich die Berge von Schuhen gesehen habe, da hat es bei mir angehängt.» Edith Häusler, Lehrerin und Zürcher Kantonsrätin aus Kilchberg, hat selbst schon viele Bücher zur Schoah gelesen und wusste, was sie erwartet. «Aber was dahintersteckt, was hier passiert ist, realisiere ich erst jetzt. Vor Ort zu sein und das zu sehen, ist etwas völlig anderes. Das kann man sich zu Hause am Schreibtisch nicht vorstellen», erzählt sie.

Auch in Zukunft die Erinnerung erhalten

Für viele der Lehrerinnen und Lehrer war der Besuch eine ganz persönliche und bewegende Erfahrung. Wie diese Eindrücke zusammen den jungen Menschen in ihren Schulklassen weitergegeben werden können, haben sich viele gefragt. Edith Häusler meint gar, dass «man eigentlich mit Maturaklassen einen solchen Ausflug machen sollte.» Nicht nur um Auschwitz und die Schoah in Erinnerung zu behalten, es könne ganz grundsätzlich helfen, Kriege, deren Folgen und das Leid zu verstehen: «Wenn man so etwas sieht, kann man sich auch vorstellen, was das bedeutet.» Für den ICZ-Rabbinatsbeauftragten Michel Bollag, der die Gruppe ebenfalls begleitet hat, steht bei der Vermittlung der Schoah eine Zäsur an. Bisher habe man direkt von Zeitzeugen gehört, was geschehen ist. Diese wird es bald nicht mehr geben und man müsse sich Gedanken dazu machen, wie die Schoah greifbar und auch als Mahnung verstanden werden kann. «Es ist schwierig, der jüngeren Generation den emotionalen Bezug zu ermöglichen und damit auch Verständnis dafür zu wecken, was das ist und was das auch für uns Juden bedeutet. Genau deshalb sind Reisen wie diese auch so wichtig.»

Videodokumentation zum Besuch mit Stimmen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen

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