Rabbiner Moshe Baumel nahm als Ehrengast am höchsten Kleinbasler Feiertag am Vogel Gryff teil. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen
Rabbiner Moshe Baumel von der IGB war am Freitag als Ehrengast am Vogel Gryff im Kleinbasel eingeladen. Er konnte den Wild Maa auf der Flossfahrt begleiten, die Tänze der Ehrenzeichen von Nahem miterleben und am Gryffemähli teilnehmen.
Am Freitag, 13. Januar 2023, wurde Rabbiner Moshe Baumel von der Israelitischen Gemeinde Basel eine hohe Ehre zuteil. Er war Ehrengast am Vogel Gryff. Der Vogel Gryff gilt als der höchste Feiertag des Kleinbasels und findet jeweils im Januar statt. Genauer ist es der Feiertag der Drei Ehrengesellschaften «3 E» Kleinbasels: zum Rebhaus, zur Hären und zum Greifen. Am Festtag stehen die tanzenden Ehrenzeichen, die Schildhalter, der 3 E im Fokus der Aufmerksamkeit, vor allem der zahlreichen Kinder, die mit ihren Schulklassen oder Eltern unterwegs sind. Es sind dies der Vogel Gryff, der Wild Maa und der Leu. Begleitet werden sie von Tambouren, Bannerträgern und den Uelis, die Geld für Bedürftige sammeln.
Zahlreiche Höhepunkte von der Flossfahrt bis zum Gryffemähli
Rabbiner Baumel durfte als Ehrengast an den verschiedenen Höhepunkten aus nächster Nähe teilnehmen. Nach einem ersten Frühstück ging es danach auf das Floss, auf dem der Wild Maa mit seinen Gästen unter Böllerschüssen den Rhein herunterfuhr. Im Klingental trafen sie auf die beiden weiteren Ehrenzeichen und durften den ersten Tanz erleben. Mittags stand für Rabbiner Baumel schliesslich das Gryffemähli auf dem Programm, an dem die über 400 Gesellschaftsmitglieder sowie die Ehrengäste geladen waren.
Rabbiner Baumel im Gespräch
Wir haben Rabbiner Baumel nach seinen Erlebnissen und Eindrücken befragt.
Heute Morgen nahmen Sie Platz auf dem Wild Maa-Floss. Wie war das für Sie?
Es war wirklich sehr regnerisch. Vor allem war es aber natürlich sehr eindrücklich. Von allen Seiten wurden wir bestaunt von den vielen, vielen Kindern, die den Weg gesäumt haben. Auch fühlte ich mich zurückversetzt, mit den Kostümen der Tambouren und den Böllerkanonen, in eine ganz andere Zeit, in eine ganz andere Welt. Eine besondere Erfahrung, dies miterleben zu dürfen.
Ihre Teilnahme am Feiertag der 3 E ist eine grosse Ehre. Wie kam es überhaupt dazu?
Im Sommer habe ich einen Brief der Drei Ehrengesellschaften erhalten, in dem sie mich als Ehrengast eingeladen haben. Hintergrund ist das diesjährige Motto «Brugge schloo» (Brücken schlagen). Sie wollten Menschen einladen, die vermitteln und in der Gesellschaft Brücken schlagen. Sie haben sich für meine Tätigkeiten im interreligiösen Dialog, im Dialog zwischen der jüdischen Gemeinschaft und der nicht-jüdischen, bedankt. Dazu gehört auch mein Einsatz in Gremien ausserhalb der IGB, wo ich versuche das Judentum oder jüdische Inhalte den Baslerinnen und Baslern, die nichts mit der Gemeinde am Hut haben, näherzubringen. In diesem Sinne haben sie mich als Brückenschlager gesehen.
Am Gryffemähli haben Sie eine Rede gehalten. Was haben Sie den Gesellschaftsmitgliedern erzählt?
Meine Rede war grundsätzlich humorvoll ausgelegt, da ich das Mähli als sehr ausgelassen empfunden habe. Da wollte ich nicht mit moralischen Lehren auftreten, sondern die Menschen aufheitern. Auch ich habe mich am Motto orientiert und das Brückenschlagen und das positive Miteinander thematisiert. Insbesondere habe ich meine Dankbarkeit für ihr Entgegenkommen mir und meiner Religion gegenüber zum Ausdruck gebracht.
Wie hat sich dieses Entgegenkommen gezeigt?
Sie haben für mich koschere Alternativen besorgt, organisatorisch keine einfache Sache. Es gibt den Tag über zahlreiche Apéros und das an verschiedenen Orten. Hier muss ja das Essen und das Besteck etc. stimmen. Vor allem aber sind sie für mich vom Protokoll abgewichen. Normalerweise sieht das Protokoll sehr genau vor, wer wann wo zu sein oder zu reden hat. Wegen Schabbat haben sie den Zeitplan geändert. So haben sie mich auch früher «gehen lassen», was protokollarisch für Gäste eigentlich ausgeschlossen ist. Dieses wirklich grosse Entgegenkommen, gegenüber meiner Kultur und meiner Religion, hat mich bewegt. Dafür habe ich mich in meiner Rede bedankt und gesagt, dass auch das eine Form des Brückenschlagens ist. Gemeinsam können Kompromisse gefunden werden, welche die verschiedenen Traditionen bewahren und ein gemeinsames Feiern ermöglichen.
Abseits des Mählis ziehen die tanzenden Ehrenzeichen zahlreiche Schaulustige und viele Kinder an. Haben Sie davon etwas mitbekommen?
Es waren zahllose Kinder am Strassenrand, viele Schulklassen. Offenbar ist es endlich wieder ein «grosser» Vogel Gryff, wie vor den Pandemiejahren. Dass so viele Menschen dem Wetter am Morgen getrotzt haben, hat mich sehr beeindruckt. Auch die jüdische Primarschule habe ich gesehen. Diese Klassen gehen ja ebenfalls an den Vogel Gryff, sicher nicht jedes Jahr, aber ab und zu. Interessant ist, was das für Erinnerungen prägt. Rabbiner Leo Adler war 1978 zum Gryffemähli eingeladen und damals ist die jüdische Schule natürlich auch an den Vogel Gryff gegangen. Es gibt noch einige Gemeindemitglieder, die damals als Kinder dabei waren und mir das als ein eindrückliches Erlebnis geschildert haben. Dass der Rabbiner eingeladen wurde, war schon damals für die Gemeinde etwas Besonderes.
Ist Ihnen denn schon etwas sehr Besonderes vom heutigen Tag im Gedächtnis geblieben?
Ja, am Gryffemähli ist Felix Eymann auf mich zugekommen, ein langjähriger Grossrat und Alt-Gryffenmeister. Er hat sich für die wunderbare Zusammenarbeit der Gemeinde mit der Stadt, dem Kanton bedankt. Es sei ihm persönlich auch sehr wichtig gewesen, dass ich zugesagt habe und das sogar an Erev Schabbat. Überhaupt sei diese Zusammenarbeit vorbildlich, auch für die Schweiz. Mich hat diese Aufrichtigkeit und diese Offenheit von ihm sehr berührt. Es sind auch sonst immer wieder Menschen an mich herangetreten, die mir Grüsse von Gemeindemitgliedern ausrichten wollten. Hier wurde mir bewusst, wie stark die Gemeinde und ihre Mitglieder in dieser Stadt verankert und mit den anderen Menschen verbunden sind.
Fotos: Alain Grimm und SIG
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