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Der SIG schreibt dem jüdischen Wochenmagazin Tachles

Der SIG reagiert in einem Schreiben an das jüdische Wochenmagazin Tachles auf dessen grenzwertige Aussagen in der Berichterstattung zur Bührle-Sammlung.

Im jüdischen Wochenmagazin Tachles sind in den letzten Monaten zahlreiche Artikel und Beiträge über die Bührle-Sammlung erschienen, unter anderem auch über den Umgang des SIG und anderer mit dem Thema. Am 21. Januar 2022 erschien schliesslich ein Standpunkt im Tachles, in dem das angebliche Versagen heutiger jüdischer Institutionen in der Causa Bührle mit dem Versagen anderer bei der Verhinderung der «Endlösung» verglichen wird. Für den SIG stellt dieser Vergleich eine Grenzüberschreitung dar.

Der SIG weist die Vorwürfe in aller Deutlichkeit zurück

Der SIG hat daraufhin am 27. Januar 2022 dem Chefredaktor des Tachles einen Brief zugestellt. Darin werden die Vorwürfe des Tachles in aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Insbesondere wird der unhaltbare Vergleich scharf kritisiert.

Der SIG veröffentlicht das Schreiben hier in seiner vollen Länge.

Schreiben des SIG an den Chefredaktor des Tachles

Zürich, den 27. Januar 2022

Sehr geehrter Herr Kugelmann

Vorweg möchte ich eines klarstellen: Die Geschäftsleitung des SIG anerkennt selbstverständlich die Rolle der Medien allgemein als kritische und unabhängige vierte Gewalt im Staat. Dass auch das Tachles diese Rolle wahrnimmt, respektieren wir und anerkennen auch die Breite der Themen, über die Tachles wöchentlich berichtet. Des Weiteren möchte ich Sie, wie ich es bereits mehrfach mündlich gemacht habe, erneut auf unsere Rolle und Aufgabe als Dachverband und Repräsentant der Schweizer Juden hinweisen. Wir können uns nicht einfach laut empören. Um etwas zu bewirken, müssen wir bei unseren Anliegen eng am Ball bleiben und mit den Behörden in einem konstruktiven Austausch stehen. Selbstverständlich begleiten wir die Umsetzung unserer Anliegen auch stets kritisch.

Es ist dem Tachles unbenommen, den SIG und seine Politik zu kritisieren. Störend finden wir aber, dass Positionen und Interventionen des SIG teils gezielt ausgeblendet werden, vor allem aber, dass der SIG kaum die Möglichkeit erhält, zu Kritik Stellung zu nehmen. In den letzten Wochen wurden bei kaum einem Bericht von Tachles über den SIG bei uns vorgängig Positionen und Hintergründe eingeholt, wie das normalerweise üblich wäre. Wenn man bedenkt, dass das jüdische Magazin und die Vertretung der jüdischen Gemeinschaft eigentlich die gleichen Interessen verfolgen, ist das besonders befremdlich.

Das alles liessen wir bis jetzt unkommentiert stehen. Nun ist aber für uns eine Grenze überschritten worden. Bei der Berichterstattung zur Causa-Bührle hat Tachles mittlerweile jedes Augenmass verloren.

Der jüngste Angriff von Tachles auf den SIG wiegt schwer: In einem Artikel wird das angebliche Versagen der heutigen jüdischen Institutionen in Bezug auf die Causa Bührle verglichen mit dem Versagen anderer damals bei der Verhinderung der «Endlösung» (Tachles vom 21. Januar Nr. 3 / Standpunkt von Gisela Blau Versagen damals – Versagen heute). Dass die Autorin des Artikels den Vergleich offenbar selber nicht haltbar findet, ist entlarvend. Der dann doch zu Ende gedachte Vergleich ist einfach ungeheuerlich. Wäre ein solcher, auch nur impliziter Vergleich, in einem nichtjüdischen Medium abgedruckt worden, wäre der Aufschrei zu Recht gross gewesen. Medien und jüdische Institutionen hätten scharf reagiert und Konsequenzen gefordert.

Nazi-Vergleiche, seien sie noch so indirekt, sind auch ein Mittel der Verharmlosung der Shoah. Sie zeugen von einem unbeholfenen Umgang mit Geschichte und von schlechtem Geschmack – ganz besonders in einer jüdischen Publikation. Auch Sie haben solche Verharmlosungen immer wieder und zu Recht kritisiert.

Zum völlig inakzeptablen Vergleich hinzu kommt noch der Vorwurf, der SIG habe die liberalen Jüdinnen und Juden in der Schweiz diskriminiert; dies, weil der Präsident der Jüdischen Liberalen Gemeinde Zürich (JLG) nicht beim Gespräch mit der Zürcher Stadtpräsidentin dabei gewesen sei. Dieser Vorwurf zielt ins Leere. Der SIG hat die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS) – bei welcher die JLG Mitglied ist – seit Beginn der Diskussion um die Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich laufend über den Inhalt der Treffen mit Vertretern des Kunsthauses und der Zürcher Stadtpräsidentin informiert. Dies hat die PLJS erst vergangene Woche in einer Mitteilung kommuniziert. Von einer Diskriminierung durch den SIG kann somit keine Rede sein. Wir sind besorgt, dass mit solchen falschen oder überzeichneten Formulierungen ein Keil zwischen jüdische Organisationen getrieben werden könnte und wünschen uns diesbezüglich besondere Sorgfalt.

Die jüngsten Vorwürfe aber auch die übrige Tachles-Berichterstattung bezüglich Bührle und Kunsthaus, erscheinen umso irritierender, als auch Tachles selber in dieser Angelegenheit lange Zeit nichts verlauten liess. Fakt ist, nur wenige Stimmen äusserten sich vor und nach der Abstimmung zum Erweiterungsbau des Kunsthauses vor 10 Jahren, im Jahr 2012, als klar war, dass die Bührle-Sammlung ins Kunsthaus überführt würde. In Ihrem eigenen Online-Dossier zum Thema klafft eine grosse Lücke zwischen dem 19. August 2011 und dem 28. Juni 2013. Auch Tachles hatte es, als über den Erweiterungsbau des Kunsthauses abgestimmt wurde, nicht für nötig gehalten, über die Ihnen angeblich schon damals bekannten und bis heute kolpotierten Hintergründe zu berichten. Wir müssen uns wohl alle eingestehen, dass niemand diese Problematik damals in diesem Ausmass auf dem Radar hatte. Wieso das Thema über so lange Zeit so wenig Beachtung fand, darüber kann man nur spekulieren.

Während der SIG bereits 2016 unter meinem Vorgänger, im Rahmen der Diskussion über die Übernahme der Gurlitt-Sammlung durch das Kunstmuseum Bern, die Forderung stellte, die Schweiz solle von ihrer bisherigen Haltung in Sachen Raubkunst und Fluchtgut abrücken und den Begriff «NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut» übernehmen und diese Forderung mehrfach bei Behörden deponierte und öffentlich kommunizierte, können wir in der Rückschau nur bedauern, dass sich Tachles offenbar dafür entschieden hat, dieser Position keinen Platz einzuräumen. Wir stellen fest, dass Tachles in der bereits aufgeheizten Bührle-Debatte nun seit Monaten wiederholt moniert, der SIG mache sich Forderungen anderer zu eigen. Das trifft bei gewissen weiteren berechtigten und wichtigen Forderungen im Rahmen der Causa Bührle absolut zu, ist aber weder geheim noch verwerflich und schon gar kein Skandal.

Es ist unseres Erachtens zurzeit von höchster Bedeutung und Priorität, alle diese berechtigten Forderungen konsequent und hartnäckig im Gespräch mit den zuständigen Institutionen und Behörden einzubringen und an deren Umsetzung mitzuwirken.

Aus diesem Grund bedauern wir den Rundumschlag Ihrer Redaktion gegen Behörden, Medien und jüdische Institutionen, der mit jeder Woche eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Wir erwarten von Tachles eine öffentliche Entschuldigung für die Verwendung des monströsen Vergleichs im Artikel «Versagen damals – Versagen heute» und künftig, im Interesse aller, einen anständigen, konstruktiven Dialog mit uns, zu dem wir jederzeit bereit sind.

Freundliche Grüsse

Im Namen der Geschäftsleitung:

Dr. Ralph Lewin, SIG-Präsident

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