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Über zweihundert Menschen versammelten sich in der Berner Synagoge, um den Opfern des Terrors zu gedenken. Hier auch die Rede von SIG-Präsident Ralph Lewin

Die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrors fand in der Synagoge in Bern mit zahlreichen Teilnehmenden statt. Mit Gebeten, Gesängen und Wortbeiträgen wurde den zahllosen Opfern gedacht.

Am 16. Oktober 2023 fand in der Berner Synagoge eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrors in Israel statt. Über zweihundert Gäste wohnten der Zeremonie in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Bern JGB bei. In Gebeten, Gesängen und bedächtigen Worten von JGB-Rabbiner Jehoschua Ahrens wurde den Toten, Vermissten und Verletzten gedacht. Mut und Kraft wurde den Angehörigen, der gesamten israelischen Bevölkerung sowie der jüdischen Gemeinschaft weltweit und in der Schweiz zugesprochen. Bundesrat Albert Rösti war als Vertreter des Schweizer Bundesrats vor Ort und hat in seiner Rede Mitgefühl und Solidarität ausgedrückt. Die israelische Botschafterin Ifat Reshef hielt eine ergreifende und emotionale Rede über die Gefühlslage in Israel.

SIG-Präsident Ralph Lewin beschrieb in seiner Rede, den Schock über den Terror, den die jüdische Gemeinschaft getroffen hat. Er appellierte auch daran, zusammen gegen den Terror einzustehen und ihn zu bekämpfen. Seine ganze Rede wird hier wiedergegeben.

Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrors

Rede von Ralph Lewin

Montag, 16. Oktober 2023, Synagoge der Jüdischen Gemeinde Bern

[Es gilt das gesprochene Wort.]

Sehr geehrter Herr Bundesrat, Frau Botschafterin, Herr Rabbiner, liebe Anwesende

Ich stehe heute vor Ihnen, ohnmächtig und tief traurig.

Ich stehe heute vor Ihnen, um meine Trauer auszudrücken.

Ich stehe heute vor Ihnen, um die uneingeschränkte Solidarität der Schweizer Juden mit Israel auszudrücken.

Wir beklagen den Verlust von über 1300 Menschen in Israel, welche durch die schrecklichen Taten der Hamas-Terroristen ihr Leben verloren haben. Es ist das schlimmste Massaker an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust. Die Opfer sind aber nicht nur Jüdinnen und Juden, es sind Israelis und Menschen anderer Nationalität und anderer Religionsgemeinschaften. Es sind Erwachsene und Kinder, Frauen und Männer, alte Leute und Babys. Und in erster Linie waren es Menschen, die bestialisch ermordet wurden, aus purer Mordlust, an einem schwarzen Tag für die Menschheit. All diese Menschen haben einen Namen. Wir dürfen diese Menschen nie vergessen.

Wir dürfen aber auch die knapp 200 Geiseln nicht vergessen, die verschleppt wurden und nun Faustpfand der Hamas sind. Wir können uns nicht vorstellen, was diese Menschen durchmachen, diese Frauen und Kinder erleben. Welchen Qualen sie ausgesetzt sind, welche Schandtaten an ihnen begangen werden und welche Unmenschlichkeiten sie ertragen müssen. Sie dürfen wir auf keinen Fall vergessen. Für ihre Freilassung muss alles getan werden.

Für uns als Jüdinnen und Juden war der Tag des Angriffs der Hamas ein riesiger Schock. Die meisten von uns haben Verwandte, Freunde und Bekannte in Israel. Viele von uns kennen Familien, die Opfer zu beklagen haben.

Wir fühlen mit.

Wir trauern mit.

Und natürlich machen wir uns auch Sorgen.

Der Hass gegenüber Israel und vielfach verbunden damit auch auf alle Juden, zeigt sich in diesen Tagen wieder einmal von seiner besonders schrecklichen Seite.

Auch nachdem immer mehr Details über die durch die Hamas begangenen unbeschreiblichen Grausamkeiten ans Licht kommen, feiern viele auf der ganzen Welt diesen menschenverachtenden Terrorismus in den sozialen Medien und in den Strassen.

Auch hier in der Schweiz kam es dazu. Nicht weit weg von hier, forderten Demonstrierende am Samstag lautstark ein freies Palästina vom Fluss bis ans Meer. Wir wussten schon früher was dies für die jüdisch-israelische Bevölkerung bedeuten könnte. Seit etwas mehr als einer Woche hat sich diese Befürchtung nun leider grausam konkretisiert. Und heute nun ein «Tod den Juden»-Graffiti in Zürich.

Wir müssen alles tun, dass dieser Konflikt nicht weiter auf die Schweiz übergreift und dass der Religionsfrieden gewahrt bleibt. Deshalb sind wir auch in gutem Kontakt zu muslimischen Organisationen.

Immerhin: Es bläst uns nicht nur Hass entgegen, wir spüren auch viel Solidarität. Auch die Verlautbarungen des Bundesrats waren dieses Mal klar und deutlich.

Aber leider wissen wir nur allzu gut, dass die Solidarität mit Israel rasch endet, wenn sich Israel zu wehren beginnt.

Israel kämpft um seine Existenz. Israel ist im Krieg. In einem Krieg gibt es leider auch unschuldige Opfer.

Aber Israel wird – darauf zähle ich zusammen mit Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog – alles Menschenmögliche tun, um unschuldige Opfer zu vermeiden. Allerdings ist dies sehr schwierig, denn die Hamas hat sich inmitten der Bevölkerung eingenistet und verwendet sie als Schutzschild in diesem Kampf. Denn Menschenleben gelten ihr nichts.

Der jüdischen Bevölkerung in der Schweiz geht es gut. Dies sage ich immer wieder. Wir können unsere Religion frei ausüben und wir sind grösstenteils vom gewalttätigen Antisemitismus verschont, den unsere Glaubensbrüder- und schwestern in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder England erleben müssen.

Und doch ist nicht alles gut.

Auch hier in der Schweiz sind wir nicht vollends sicher, denn Terrorismus kennt keine Landesgrenzen.

Deshalb müssen wir einmal mehr die Sicherheitsdispositive für unsere Synagogen, Gemeindehäuser und Schulen anpassen.

Niemand findet es angenehm, durch Schleusen und an Sicherheitspersonal vorbei in Kindergärten und zum Beten gehen zu müssen. Aber es ist leider eine traurige Notwendigkeit. Auch hierzulande.

Seit Jahren fordert der SIG auch ein Verbot der Hamas in der Schweiz, bisher erfolgslos, da man an die Guten Dienste der Schweiz glaubte und keine Gesetzesgrundlage für ein Verbot sah.

Nun ist nach den grausamen Attacken die Erkenntnis gereift, dass dies unseres Landes unwürdig ist.

Und man realisiert, dass die Hamas keine Organisation ist, mit der man Verhandlungen führen kann. Zudem erkennt man, dass diese Terrororganisation der Al-Qaida und dem IS in nichts mehr nachsteht, und es somit nicht sein kann, dass sie sich hier frei bewegen und zum Beispiel die Dienste unseres Finanzplatzes nützen kann.

Die Zeit der Ausgewogenheit ist vorbei. Wenn Terroristen mit voller Absicht barbarische Taten an Unschuldigen verüben, dann ist das nicht die Zeit, um sich in diplomatischen Floskeln zu üben. Wer Terrorismus mit Selbstverteidigung gleichsetzt, der überbietet sich in einer Asymmetrie, die letztlich auch Menschenverachtung legitimiert.

Ich finde es deshalb wichtig und richtig, dass der Bundesrat den Terror der Hamas entschieden verurteilt hat und die Hamas nun doch als Terrororganisation einstuft und dementsprechend verbieten will. Das ist das einzige richtige. Und ich hoffe, dass dies auch bald passieren wird.

Sie, Herr Bundesrat Rösti, sind heute Abend hier. Damit zeigen Sie sich deutlich solidarisch mit den Opfern des Terrors, aber auch mit der jüdischen Bevölkerung in der Schweiz. Das schätzen wir sehr und das tut uns gerade in unserem Schmerz heute sehr gut.

Die Schweiz und die Juden hatten eine sehr wechselvolle Beziehung. Denken Sie an die fehlende Religionsfreiheit in der Bundesverfassung von 1848, an das Schächtverbot oder an die inhumane Flüchtlingspolitik während der Nazi-Zeit.

Aber seit vielen Jahrzehnten sind Jüdinnen und Juden nun ein integraler Teil der Schweiz, in der Zivilgesellschaft, in der Politik, in der Armee, in der Bevölkerung.

Wir sind nicht einfach nur Juden in der Schweiz, wir sind Schweizer Jüdinnen und Juden.

Und wir dürfen nicht vergessen: Der islamistische Terror betrifft nicht nur Israel. Er betrifft nicht nur die Juden. Er betrifft alle, die für eine offene, freie, demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft eintreten.

Wir müssen den Terrorismus also nicht nur als Jüdinnen und Juden bekämpfen, sondern auch als freiheitsliebende, demokratische Schweizerinnen und Schweizer.

Wir müssen diesen Kampf gegen Barbarei und Menschenverachtung führen. Wir haben keine Wahl.

Als Jüdinnen und Juden werden wir der Toten ewig gedenken, und wir werden auch nicht aufhören, für eine friedliche Welt zu beten. Einen anderen Weg gibt es nicht. Gleichzeitig werden wir bis dahin um unser Weiterleben kämpfen müssen. Wir haben auch da keine andere Wahl.

Eheje sichram baruch (seligen Angedenkens der Opfer)

Ausse Shalom Bimromav (er, der in seinem hohen Himmel Frieden stiftet)

Am Israel chai (es leben das jüdische Volk)!

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