Prävention

Likrat Public – ein Sommermärchen mit Fortsetzung?

Zehn bis zwölf Stunden täglich waren die Likratinos und Likratinas in den Bergregionen unterwegs und abrufbereit. Wie das war, welche Eindrücke geblieben sind, ob das Projekt etwas erreicht hat und vor allem wie es weitergeht, erzählt uns Jonathan Schoppig, SIG-Projektleiter von Likrat Public.

Drei Wochen bist du von einem zum anderen Ort gereist. Was hast du für dich nach Zürich zurückgenommen?

Extrem viele positive Erfahrungen. Wir haben einmal mehr gesehen, dass wir bei neunzig Prozent der Begegnungen mit Menschen im Gespräch waren, sei es von jüdischer oder von nichtjüdischer Seite, die Interesse haben, mehr wissen wollen und die auch mehr Verständnis von fremden Kulturen und Religionen haben möchten. Das ist ein sehr hoher Anteil. Es macht mich darum ein bisschen traurig, dass davon in der Öffentlichkeit fast nie die Rede war. Man hat leider beinahe nur über Probleme oder Fälle gesprochen. Wenn wir aber diese Fälle oder Konfliktzonen anschauen, konnten viele dank unserer Rolle als Vermittler massiv entschärft werden. Wir konnte auch vielen Leuten die Möglichkeit geben, einmal ihren Frust abzuladen. Das ist gut so. Im Grossen und Ganzen haben wir aber die Menschen aktiv informiert und vermittelt. So kann man auch definitiv von einem erfolgreichen Projekt sprechen.

Welches Erlebnis ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Was mich vor allem beeindruckt hat, war, wie unsere Vermittlerinnen und Vermittler in so vielen unterschiedlichen Situationen so flexibel reagieren konnten. Das auch darum, weil wir im Vorfeld nicht alles durchplanen konnten. Sie haben an den verschiedenen Orten sehr oft selbstständig die Situation erfasst und entsprechend Entscheidungen getroffen. Die Likratinos und Likratinas sind da mit viel Selbstvertrauen rangegangen. Ohne diese Einstellung wäre das so gar nicht möglich gewesen.

Und was habt ihr erreicht? Und wo müsst ihr euch verbessern?

Wir haben es sicher erreicht, dass wir wahrgenommen und respektiert werden. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass Leute es akzeptieren, wenn wildfremde Menschen mit einem solchen Projekt im Ort auftauchen. Die jüdischen Gäste und die lokale Bevölkerung haben unsere Präsenz mitbekommen, beide haben uns angesprochen und beide haben unser Angebot in Anspruch genommen. Manchmal war es beinahe sogar zu viel. Wir wurden auch mit Anfragen konfrontiert, die so nicht viel mit unserem Aufgabenbereich zu tun hatten. Das hat aber auch gezeigt, dass man weiss, wer wir sind.

Verbessern müssen wir natürlich viel, wie bei jedem Projekt, das man ein erstes Mal durchführt. Diesen ersten Sommer kann man mit einer Art Start-up-Aktion vergleichen. Wir haben im Vorfeld die Situation analysiert und uns überlegt, was wir wie machen könnten. Trotzdem mussten wir auch einfach loslegen und Dinge ausprobieren, da wir nur so die nötigen Erfahrungen machen konnten. Wir wussten im Vorfeld auch schlicht nicht, was genau auf uns zukommen würde. Wir sind alle ein bisschen ins kalte Wasser gesprungen. Dank den vielen Feedbacks und Berichten können wir auf dieser Grundlage ein ausgefeilteres Konzept ausarbeiten, die Schulung verbessern und diese vor allem an realen Beispielen orientieren.

Du hast vor vier Jahren das Projekt Likrat Public mitlanciert. Wie schätzt du die Entwicklung des Spin-offs ein?

Dass es heute Likrat Public gibt, ist eigentlich klar und war vorauszusehen. Likrat für Schulen selbst ist sehr erfolgreich. Wir haben damals gespürt, dass wir dieses Projekt weitertreiben können, indem wir Likrat nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Erwachsene anbieten. Wir hatten einerseits die Bedürfnisse von Erwachsenen und Unternehmen, die solche Begegnungen wünschen, und andererseits Likratinos und Likratinas, die älter geworden sind, eine sehr gute Ausbildung hinter sich haben und in solchen Settings eingesetzt werden können. Wir hatten also gleichzeitig das Angebot und die Nachfrage, eine perfekte Ausgangslage.

Seither sind wir sehr systematisch vorgegangen. Wir haben Zielgruppen definiert, wie Hotels, Airlines, Tourismusorganisationen und auch Gesundheit und Pflege, und haben zu diesen Kontakt aufgenommen. Bisher konnten wir bereits eine ansehnliche Zahl an Begegnungen durchführen. Das Projekt zieht definitiv an und legt an Tempo zu. Darum wollen wir neben dem Sommerprojekt natürlich auch die Zahl der regulären Begegnungen stetig erhöhen. Das können wir vor allem darum, weil wir Likratinos und Likratinas haben, die sich in diesem Bereich engagieren wollen.

Was ist somit für das nächste Jahr geplant?

Ganz klar wird auch nächstes Jahr das Sommerprojekt das Highlight des Jahres sein. Wenn wir es denn definitiv nochmals anpacken können. Dann würde es wahrscheinlich sogar grösser sein, weil zu erwarten ist, dass sich mehr Destinationen dafür interessieren werden. Ich denke da an das Engadin, die französische Schweiz oder auch an Engelberg. Viel Zeit wird natürlich die Vorbereitung und die laufende Ausbildung unserer Likratinos und Likratinas beanspruchen. Angedacht ist, dass wir auch ausserhalb der Hauptsaisons Veranstaltungen in den Ferienregionen organisieren, wie Begegnungen oder auch kulturelle Anlässe, wie ein Koscher-Kochkurs zum Beispiel. Die Menschen sollen das Judentum einmal ganz unabhängig von Hauptsaison und Gästeschar kennenlernen können.

Die anderen Bereiche sollen aber auch weiterwachsen, darum mehr Begegnungen in Spitälern oder bei Airlines. Gleichzeitig fassen wir demnächst eine neue Zielgruppe ins Auge. Wir wollen neben den Schülerinnen und Schülern auch ihre Lehrkräfte angehen. So stellen wir uns Begegnungen oder Weiterbildungen für gestandene und angehende Lehrkräfte vor.

Man hat gehört, dass die blauen Likrat-Hoodies eine gewisse Beliebtheit erfahren. Gibt es bald einen Onlineshop für Likrat-Artikel?

[Lacht] Das müssen eher unsere Kommunikationsleute beantworten. Aber der Hoodie ist tatsächlich ein super Werkzeug und die Likratinos und Likratinas hatten grosse Freude dran. Wir wollen den aber mehr als Verdienst sehen, wenn man zum Beispiel zehn Likrat-Begegnungen oder einen grossen Einsatz geleistet hat. Das entscheiden wir aber noch.

Likrat Public-Sommerprojekt 2019

Jüdische Gäste aus aller Welt kommen schon seit Jahrzehnten in die Schweiz, um ihre Ferientage vor allem in den Schweizer Bergen zu verbringen. Wenn unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, kommt es immer wieder zu Fragen, Unklarheiten und sogar Missverständnissen. Likrat Public setzt hier an und will über Dialog und Wissensvermittlung gegenseitiges Verständnis fördern. Dabei lebt das Projekt von Vermittlern und Vermittlerinnen, den sogenannten Likratinos und Likratinas. Vor vier Jahren gestartet, haben die Likratinos und Likratinas schon einige Organisationen und Unternehmen mit jüdischer Kundschaft besucht. Diesen Sommer ist Likrat Public noch einen Schritt weitergegangen. Das Projekt hat sich nochmals intensiver der Vermittlung zwischen lokaler Bevölkerung und jüdischen Gästen und der Förderung von Verständnis gewidmet.

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