Die Forderungen des SIG zur Bührle-Sammlung könnten bald erfüllt werden
Zum Thema Bührle-Sammlung hat sich letzte Woche der SIG mit dem Präsidenten der Zürcher Kunstgesellschaft getroffen. Heute folgte ein Gespräch mit Zürichs Stadtpräsidentin. Dem SIG wurde signalisiert, dass seine Forderungen zur Sammlung bald erfüllt werden könnten.
Heute haben sich SIG-Präsident Ralph Lewin und Jacques Lande, Präsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ICZ, mit Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch zu einem Gespräch getroffen. Dabei ging es erneut um den Umgang mit der Bührle-Sammlung im Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich. Diskutiert wurden die Umsetzung der im Raum stehenden Forderungen und vor allem der Subventionsvertrag zwischen Stadt Zürich und Zürcher Kunstgesellschaft. Diesem Gespräch war letzte Woche ein erstes Treffen zwischen Lewin und dem Präsidenten der Zürcher Kunstgesellschaft Conrad M. Ulrich vorangegangen. Auch bei diesem Treffen wiederholte der SIG seine bereits im November 2021 gestellten Forderungen zum Umgang mit der Sammlung.
Neuer Leihvertrag wird begrüsst
Im Dezember 2021 haben das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Sammlung E.G. Bührle eine Medienkonferenz abgehalten, die auch vom SIG scharf kritisiert wurde. Diese zeigten eine starre Verteidigung ihrer bisherigen Haltung und es entstand der Eindruck eines zweifelhaften Geschichtsbewusstseins. Diese überaus unsensible Positionierung war für den SIG sehr irritierend. An dieser Medienkonferenz stellten das Kunsthaus Zürich und die Bührle-Stiftung aber immerhin die Veröffentlichung des Leihvertrages in Aussicht. Das entspricht einer der SIG-Forderungen. Der Verband erwartet nun, dass dies auch geschieht und der angekündigte neue Leihvertrag so rasch wie möglich in Kraft tritt, damit das Vertrauen in die beteiligten Institutionen teilweise wiederhergestellt werden kann. Dem SIG wurde nun seitens Zürcher Kunstgesellschaft signalisiert, dass im neuen Leihvertrag auch die vom SIG gestellten Forderungen erfüllt werden könnten.
Unabhängige Expertengruppe soll bald eingesetzt werden
Eine weitere Forderung des SIG bezieht sich auf die Provenienzforschung zu den Werken der Bührle-Sammlung. Wie bereits mehrfach von verschiedenen Seiten kritisiert wurde, ist diese Forschung bislang zu wenig unabhängig gewesen. Die Herkunft der Bilder soll durch eine vollständig unabhängige, neutrale und international besetzte Expertengruppe evaluiert werden, wie bereits alle Beteiligten öffentlich bestätigt haben. Dabei muss sich die Zürcher Kunstgesellschaft, das vertraglich die Verantwortung für die Provenienzforschung der Sammlung übernommen hat, um die Abklärung bezüglich Herkunft und Vorbesitz der Werke bemühen. Auch hier besteht nach den Gesprächen Hoffnung, dass diese Expertengruppe bald eingesetzt werden kann.
Auch unter Verfolgungsdruck veräusserte Kunstwerke müssen überprüft werden
Bei den Gesprächen mit dem Präsidenten der Kunstgesellschaft Ulrich und mit Stadtpräsidentin Mauch kam erneut der viel diskutierte und die Bührle-Ausstellung begleitende Dokumentationsraum zur Sprache. Man ist sich einig, dass dieser weiterentwickelt und ergänzt werden muss. Für den SIG hat es allerdings höchste Priorität, dass die Unterscheidung zwischen Raubkunst sowie Fluchtkunst bzw. Fluchtgut zugunsten der Bezeichnung «NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut» aufgegeben wird. Das Kunstmuseum Bern ist hier bereits beispielhaft vorgegangen, hat die Bezeichnung adaptiert und wendet sie auf seine gesamten Sammlungsbestände an. SIG-Präsident Lewin hat bei seinem Treffen letzte Woche ausdrücklich und unmissverständlich an Conrad Ulrich appelliert, dass das Kunsthaus Zürich seine jetzige Haltung aufgeben solle. Der SIG erwartet konkret, dass nicht nur von den Nazis konfiszierte, sondern auch unter dem Druck durch die Naziverfolgung veräusserte Kunstwerke überprüft werden sollen. Es ist von grösster Bedeutung, dass für solche Kunstwerke faire und gerechte Lösungen gefunden werden. Nun hat die Zürcher Kunstgesellschaft gegenüber dem SIG durchblicken lassen, dass das Zürcher Kunsthaus in Zukunft ebenfalls explizit den Empfehlungen des Washingtoner Abkommens und der Erklärung von Terezin folgen und den international anerkannten Terminus vom «NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut» für die Massgabe seiner Provienzforschung verwenden könnte. Damit würde eine zentrale Forderung des SIG erfüllt. Für den SIG entscheidend ist allerdings, dass die Stadt Zürich diese Massgabe auch in ihren Subventionsvertrag mit der Zürcher Kunstgesellschaft festschreibt. Die Stadtpräsidentin hat dem SIG gegenüber angekündigt, dass der neue Subventionsvertrag dieser Tatsache auf jeden Fall Rechnung tragen wird.
Nationale Kommission erhält breite Unterstützung in Zürich
Politische Unterstützung findet die Verwendung der neuen Bezeichnung in einer zurzeit hängigen Motion, welche die Schaffung einer nationalen und unabhängigen Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter vorschlägt. Stadt und Kanton Zürich sowie die Zürcher Kunstgesellschaft unterstützen die Schaffung einer solchen Kommission. Sie würde etwa zum Einsatz kommen, um bei Werken Lücken in der Provenienz zu schliessen. Der SIG setzt sich stark für diesen parlamentarischen Vorstoss ein, der sich an vergleichbaren Kommissionen in anderen Ländern orientiert.
SIG wünscht sich einen Neuanfang beim Kunsthaus
Der SIG schätzt die bisher stattgefundenen Gespräche und den partnerschaftlichen Austausch sowohl mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt, mit dem Kanton Zürich als auch mit der Zürcher Kunstgesellschaft. Der Verband setzt seine Hoffnung auf einen baldigen personellen Neuanfang beim Kunsthaus Zürich, vor allem bei der Handhabe des Bührle-Dossiers. Ein Neuanfang könnte es möglich machen, mit dem Kunsthaus in einen zukunftsweisenden und konstruktiven Dialog zu treten. Der SIG wird auf jeden Fall die Umsetzung seiner Forderungen kritisch beobachten und die Thematik eng weiterbegleiten.
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