Provenienzforschung

Der SIG begrüsst den Abschlussbericht von Raphael Gross zur Bührle-Sammlung und unterstützt die darin formulierten Empfehlungen

Der SIG sieht sich in seiner Forderung nach Transparenz und Aufarbeitung der Geschichte der Kunstsammlung Bührle bestätigt und unterstützt die im Bericht formulierten Empfehlungen an die Zürcher Kunstgesellschaft.

Heute hat Raphael Gross seinen Abschlussbericht zur Bührle-Forschung präsentiert. Gross war im März 2023 von Stadt und Kanton Zürich und von der Zürcher Kunstgesellschaft mit einer unabhängigen Überprüfung der bisherigen Provenienzforschung zur Sammlung Emil Bührle beauftragt worden. Ein neuer Subventionsvertrag mit der Stadt Zürich hatte das Kunsthaus 2022 unter anderem dazu verpflichtet. Gross und sein Forschungsteam kommen nun zum Schluss, dass die von der Bührle Stiftung vorgenommene Provenienzforschung zur Dauerleihgabe den vom Kunsthaus Zürich geforderten Standards nicht genüge. Daraus ergibt sich ein grosser Bedarf an weiterer Provenienzforschung. Der SIG sieht sich in seiner Forderung nach Transparenz und Aufarbeitung der Sammlungsgeschichte, insbesondere der Klärung von Werken in jüdischem Vorbesitz, bestätigt. Ebenso benennt Gross’ Bericht den Zusammenhang zwischen der Herkunft von Emil Bührles Vermögen, das zu einem Grossteil aus Waffenverkäufen an NS-Deutschland stammte, und der Herkunft seiner Bilder. Emil Bührle hat darüber hinaus sowohl von Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern als auch von Zwangsarbeit in «fürsorgerischen» Schweizer Einrichtungen profitiert. Diese erweiterte historische Betrachtung, die über den «Kunstsammler Bührle» hinausgeht, ist wichtig, da sie die moralische Frage, wie heute mit dieser Sammlung in einem öffentlichen Kunstmuseum umzugehen sei, in den Fokus rückt. Der SIG würdigt die ausserordentliche Arbeit von Raphael Gross und seinem Team und unterstützt die im Bericht formulierten Empfehlungen an die Zürcher Kunstgesellschaft vollumfänglich.

Viele Werke mit jüdischem Vorbesitz identifiziert

Die unabhängige Überprüfung der 205 Werke, die sich unter dem Namen «Sammlung Emil Bührle» seit 2021 als Dauerleihgabe im Kunsthaus Zürich befinden, wurde anhand der bisher getätigten und publizierten Provenienzforschungen der Stiftung Sammlung E.G. Bührle vorgenommen. Besonders bemerkenswert am vorliegenden Bericht von Gross ist die hohe Zahl von Werken, bei denen ein jüdischer Vorbesitz zutage kam, der in der bisherigen Forschung der Bührle Stiftung nicht erschienen ist. Fünf Werke wurden im Rahmen von Gross’ Evaluation einer Tiefenanalyse unterzogen, wobei hier eine personenzentrierte statt einer objektbezogenen Provenienzforschung angewendet wurde. Gerade die Geschichten dieser Menschen verdeutlichen, wie die antisemitische, nationalsozialistische Gewaltherrschaft die jüdischen Kunstbesitzerinnen und -besitzer zur Veräusserung ihres Besitzes zwang.

Auch wenn diese Menschen von der Ermordung verschont blieben, verdeutlichen diese Schicksale, wie die Folgen der NS-Verfolgung massive Auswirkungen auf das gesamte spätere Leben hatten. So konstatiert Raphael Gross an einer Stelle im Bericht:

«Ohne [die nationalsozialistische] Verfolgung wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen. Die Sammlung Bührle ist somit aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte sowohl Teil der Schweizer als auch der jüdischen Geschichte.»

Drei Empfehlungen

Der Bericht von Raphael Gross gibt drei Empfehlungen an die Zürcher Kunstgesellschaft ab. Der SIG unterstützt diese Empfehlungen vollumfänglich. Erstens: Aufgrund der Resultate der Untersuchung muss weitere Provenienzforschung unternommen werden. Diese soll auf die Aufklärung von jüdischem Vorbesitz und NS-verfolgungsbedingten Entzug der Werke aus der Bührle Sammlung fokussieren.

Zweitens sollte das Kunsthaus Zürich ein Gremium einsetzen, das fachlich und biografisch multiperspektivisch besetzt ist. Parallel dazu soll ein Prüfschema für NS-verfolgungsbedingten Entzug entwickelt werden, das sowohl für die eigene Sammlung als auch für die Dauerleihgaben angewendet werden kann.

Drittens empfiehlt Raphael Gross dem Kunsthaus Zürich eine Auseinandersetzung mit dem Namen «Sammlung Emil Bührle». Die Leihgabe im Kunsthaus Zürich zeigt nur einen Drittel der insgesamt 633 von Bührle zwischen 1936 bis 1956 angelegten Kunstsammlung. Ausgehend von der Evaluation der 205 Werke der Leihgabe im Zürcher Kunsthaus durch Raphael Gross ist anzunehmen, dass die weiteren über 400 Kunstwerke der Sammlung, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, unter identischen Umständen erworben wurden. Durch die Ausstellung der Kunstwerke der Sammlung Stiftung E.G. Bührle im Neubau des Kunsthaus Zürich erfahre der Name Bührle und damit seine ganze Sammlung eine Nobilitierung. So stelle sich aus Sicht des Verfassers des Berichtes vor dem Hintergrund der Resultate der Überprüfung die Frage, ob das Kunsthaus diese Erkenntnisse mit seiner moralisch-ethischen Haltung in Übereinstimmung bringen könne. Das Kunsthaus Zürich wird sich früher oder später damit auseinandersetzen müssen.

Abonnieren Sie jetzt die SIG News

Diese Website verwendet Cookies, um ein bestmögliches Nutzungserlebnis zu gewährleisten.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass je nach Ihren Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Diese Website verwendet Cookies, um ein bestmögliches Nutzungserlebnis zu gewährleisten.

Dazu gehören wesentliche Cookies, die für den Betrieb der Website notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass je nach Ihren Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website zur Verfügung stehen.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert.