Next Step in Athen: Der SIG führt eine internationale Leadership-Woche für jüdische Nachwuchskräfte durch

In Athen fand Anfang November ein Ausbildungsblock des trinationalen Leadership-Programms Next Step statt. Der SIG übernahm die Organisation. Rund 40 Teilnehmende aus der Schweiz, Deutschland und Österreich vertieften ihre Führungskompetenzen. Praxisnähe, Austausch und Begegnung prägten die intensive Woche.
Rund 40 junge jüdische Erwachsene aus der Schweiz, Deutschland und Österreich nahmen in Athen an einem einwöchigen Modul des Leadership-Programms Next Step teil. Das Programm richtet sich an 25- bis 35-Jährige, die sich in ihren Gemeinden oder Organisationen engagieren oder Führungsverantwortung übernehmen möchten. Next Step wird seit zehn Jahren gemeinsam von den jüdischen Dachverbänden der drei Länder durchgeführt. Ziel ist es, Kompetenzen für Management- und Führungsaufgaben zu vermitteln und gleichzeitig den grenzüberschreitenden Austausch zu fördern. Der SIG war in diesem Jahr für Organisation und Inhalte verantwortlich.

Praxisnahe Ausbildung und Austausch auf Augenhöhe
Im Zentrum der zweiten Ausbildungswoche im Jahr 2025 standen Selbstmanagement, Kommunikation, Teamführung, Konfliktmanagement und Krisenbewältigung. Die Teilnehmenden arbeiteten in praxisorientierten Modulen, die von Assessments und Selbstmanagement-Übungen bis zu komplexen Gruppenaufgaben reichten. Ergänzend vermittelten Expertinnen und Experten theoretische Einblicke.

Professor Erik Petry von der Universität Basel sprach über Ben-Gurions Stakeholder-Management während der Staatsgründung Israels. Rabbiner Noam Hertig von der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich hielt einen Workshop zu «Jewish Leadership» auf Basis rabbinischer Quellen und ethischer Konzepte. Gemeinsam spannten sie die Klammer zwischen moderner Führung und der Frage, wie sich Leadership mit jüdischer Identität, Geschichte und Tradition verbinden lässt.

Die internationale Zusammensetzung der Gruppe förderte den Austausch und legte auch spannende, unterschiedliche kulturelle und kommunikative Stile im Umgang und in der Führung offen. Der informelle Umgang, die Offenheit und der partizipative Ansatz war Teil der Vermittlungsidee und stiess auf positive Resonanz. Das Next Step-Modul schloss mit den Prüfungen zum SVF-Zertifikat Leadership ab. Auch logistisch verlief die Woche reibungslos – ein Resultat sorgfältiger Planung und engagierter Teamarbeit.

Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Der Austausch zwischen den Teilnehmenden verlief ausgesprochen lebendig. Viele nutzten die Woche, um Netzwerke aufzubauen, Erfahrungen aus ihrem Werdegang zu teilen und neue Ideen zu diskutieren. Die Feedbacks fielen durchweg positiv aus – die Teilnehmenden hoben insbesondere die praxisnahe Ausbildung, die internationale Perspektive und die inspirierende Atmosphäre hervor. Neben den Trainingseinheiten bot der Aufenthalt in Athen Einblicke in die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven: von der griechischen über die europäische bis zur jüdischen. Eine der ältesten jüdischen Gemeinden Europas findet sich in Athen und verdeutlichte die jahrtausendealte Geschichte jüdischer Präsenz in Griechenland. Diese Verbindung von Lernen, Begegnung und Geschichte verlieh der Woche besondere Tiefe.

Mit dem Athen-Modul konnte ein weiteres Mal aufgezeigt werden, wie wertvoll solche Bildungsinitiativen der jüdischen Gemeinschaft sind und über nationale Grenzen hinaus Wirkung entfalten können. Wie die Inhalte konkret vermittelt wurden und welche Erkenntnisse die Teilnehmenden mitnehmen, erläutert SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner.

«Sie wurden gezielt an ihre Grenzen geführt, um sich selbst kritisch zu analysieren und zu hinterfragen»
Interview mit Jonathan Kreutner, Generalsekretär des SIG
Was macht Next Step zu einem besonderen Programm?
Es verbindet zwei Dinge, die sonst selten zusammenkommen: professionelle Leadership-Ausbildung und die Auseinandersetzung mit jüdischer Identität. Die Teilnehmenden lernen nicht nur, wie man führt, sondern auch, was Führung im jüdischen Kontext bedeutet.
Warum wurde die Ausbildungswoche in Athen durchgeführt?
Athen ist geschichtlich ein faszinierender Ort, aber auch praktisch gut geeignet. Die Stadt hat eine lebendige jüdische Gemeinde, die bis in die Antike zurückreicht. Wir wollten zeigen, dass jüdisches Leben in Europa nicht nur Erinnerung, sondern Gegenwart ist.
Wie präsentierte sich die Gruppe während der Woche?
Die Gruppe war aussergewöhnlich engagiert. Sie war ausserdem sehr vielfältig aufgestellt. Beruflich Erfahrene bis Studierende, manche mit Führungsfunktionen in Gemeinden, manche, die sich das für die Zukunft vornehmen. Alle zeigten aber denselben Antrieb: etwas für ihre Gemeinschaft bewirken zu wollen. Es war spannend zu sehen, wie sie miteinander interagiert haben, in den Kursen, in den Pausen oder während des Begleitprogramms, ganz natürlich über Ländergrenzen hinweg. Das ist ja auch ein Ziel dieses Programms.

Ein Schwerpunkt der Woche lag auf Krisenkommunikation. Wie wurde dieses Thema vermittelt?
Ich habe eine Simulation vorbereitet, die mit einer kleinen Kommunikationspanne begann und sich Schritt für Schritt zu einer nationalen bis europäischen Krise entwickelte. Die Teilnehmenden mussten spontan reagieren, über Länder hinweg zusammenarbeiten, Entscheidungen treffen, im Team handeln. Einige waren überrascht, wie emotional das wurde. Sie wurden gezielt an ihre Grenzen geführt, um sich selbst kritisch zu analysieren und zu hinterfragen.
Waren Unterschiede zwischen den drei Ländern sichtbar?
Es gibt kulturelle Unterschiede, etwa in der Art, wie man mit Hierarchie umgeht. In der Schweiz ist Führung tendenziell flacher, in Deutschland und Österreich strukturierter. Das ist spannend und fordert heraus. Solche Erfahrungen verbreitern den Horizont der Teilnehmenden.
Was nehmen die Teilnehmenden mit nach Hause?
Ganz klar das Thema Führung, die Bewältigung von Krisensituationen und der Umgang mit Kommunikation. Nicht nebensächlich ist dabei die Erkenntnis, wie wichtig es ist, mit seinen eigenen und anderen Emotionen umzugehen. Die Teilnehmenden waren alle extrem stark. Die nehmen das alles mit, nicht nur in ihre Funktionen in den Gemeinden, sondern auch in ihr Berufs- und Privatleben. In der Feedback-Runde wurde herausgestrichen, dass sie diese persönliche Weiterentwicklung spüren und sehr hoch einschätzen. Das ist ein sehr schöner Gewinn.
Was bedeutet das Programm für den SIG?
Next Step ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir Bildungsarbeit international vernetzen können. Die Kooperation mit dem Deutschen Zentralrat und der Israelitischen Kultusgemeinde Wien funktioniert hervorragend. Die Resonanz zeigt, dass dieses Format Zukunft hat.
Welche Eindrücke und Momente aus der Woche wirken besonders nach?
Die Begeisterung und das Engagement der Teilnehmenden. Und jene Momente, als während Übungen die Beübten überrascht wurden, wir ihre spontanen Reaktionen abholen und damit arbeiten konnten. Da merken alle, dass hier etwas passiert, nicht auf einem Flipchart, sondern im Innern. Da lernen alle viel über sich selbst und über andere. Solche Momente sind sehr speziell und bleiben haften. Ein grosses Kompliment an unsere Bildungsabteilung.
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