International

Zwischen postsowjetischem Flair und hoffnungsvoller Entwicklung – eine Begegnung mit Likrat Moldova

Likrat-Begegnungen werden bald auch in Moldavien durchgeführt. Die Likratinas und Likratinos schlossen ihre Ausbildung im Februar ab. Likrat Moldova wurde von der LivingStones Association ins Leben gerufen und wird vom SIG unterstützt. Susan Reznik, eine Likratina aus Basel mit Wurzeln in Chisinau, besuchte ein Likrat-Seminar in Moldavien und leitete einen Workshop zum Thema Identität. Hier ihr Bericht über Likrat Moldova.

«Das ist es also, dieses Chisinau.» Mit Neugier und leichter Aufregung, gepaart mit der Ungewissheit, was mich da ausserhalb dieses Flughafens erwartet, trete ich in die Empfangshalle.

Dort entdecke ich auch gleich meinen Fahrer, der mit einem grossen Schild auf mich wartet. Für mich nimmt er extra den Weg übers Zentrum und fährt über die lange Hauptstrasse «Stefan cel Mare». Wir fahren am Triumphbogen sowie an den Parlamentsgebäuden vorbei, und ich versuche mir vorzustellen, wie mein Vater und seine Familie hier früher gelebt und ihren Alltag gestaltet hatten. Kurz nach der Wende kamen meine Grosseltern mit meinem Onkel, seiner Frau, meinen damals kleinen Cousinen und meinem Vater in die Schweiz. Ich wurde in Basel geboren. Für mich war Chisinau bis jetzt nur ein ferner Ort aus Erzählungen gewesen. Doch dies wird sich über das kommende Wochenende ändern.

Likrat Moldova – ein wichtiges Projekt

Am frühen Morgen werden die zwei anderen Schweizer Likratinos und ich, alle noch etwas verschlafen, von Heli abgeholt. Die 15-Jährige gehört zum Likrat-Moldova-Programm. Einen Hauch vom authentischen Moldavien kriegen wir bei der Fahrt in einem der alten Trolleybusse. Heli mag die gar nicht, aber ich finde das alles natürlich wahnsinnig spannend.

Auf Anhieb verstehen wir uns mit den Likrat-Moldova-AnwärterInnen, die von den zwei jüdischen Schulen in Chisinau stammen. Die Neugier und Motivation der Jugendlichen berührt und fasziniert mich. Jeder von uns Schweizer Likratinas und Likratinos wird heute einen Workshop zu Themen wie Identität, Traditionen oder Vorurteilen halten. Dies ist das letzte Wochenende, bevor die Likrat-Moldova-AnwärterInnen ihre Diplome in Empfang nehmen werden und selber in Schulklassen gehen, um über das Judentum aufzuklären. In Moldavien ein sehr wichtiges Anliegen, da jüdische Themen oft unter den Teppich gekehrt werden. Durch den unterschwelligen, teils auch offenen Antisemitismus zu Sowjetzeiten wissen heute viele gar nicht von ihrer jüdischen Identität, haben keine Ahnung von der Geschichte der Juden Moldaviens, und viele der Jugendlichen wussten am Anfang fast gar nichts vom jüdischen Leben. Es sind aber alle – wahrscheinlich auch genau deswegen – mit so viel Herzblut dabei, dass der Moment am letzten Tag, als sie ihre Diplome mit Stolz entgegennehmen dürfen, uns fast zu Tränen rührt. Und mir persönlich die Hoffnung auf eine Veränderung gibt, die geprägt wird durch eine neue, ambitionierte Generation.

Zum Schluss kann man sagen: Die Republik Moldavien ist eigentlich ein bisschen wie die vergessene Tochter Europas: Trotz Bemühungen hat sie den Mantel der sowjetischen Zeiten noch nicht abgeschüttelt und viele, viele Probleme noch zu meistern. Und mir haben alle dazu gratuliert, dass meine Familie damals ausgewandert ist, denn «es gibt hier nichts».

Mit Likrat Moldova ist ein kleiner Stein in Richtung einer vielversprechenden Zukunft ins Rollen gekommen, in der auch die jüdische Identität Platz hat.

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