Durch eine zwingend zweiseitige Anrufbarkeit der unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe schwächt das Parlament deren Wirksamkeit erheblich. Der SIG kritisiert diesen Entscheid ausdrücklich.

Das Parlament schreibt fest, dass die künftige Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe nur in Ausnahmefällen einseitig angerufen werden kann. Der SIG kritisiert diese Entscheidung, die faire und gerechte Lösungen erschwert.
Nach dem Ständerat hat sich heute der Nationalrat erneut mit der unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe befasst. Mit 116 zu 53 Stimmen folgte er in der Differenzbereinigung dem Entscheid des Ständerates von Dienstag, womit das Parlament die zweiseitige Anrufbarkeit der Kommission endgültig gesetzlich festgeschrieben hat. Damit die Kommission künftig tätig werden und die Herkunft eines potentiell historisch belasteten Kunstwerks oder Kulturguts überhaupt untersuchen kann, wird die Zustimmung beider Parteien vorausgesetzt. Die einzige Ausnahme betrifft ausschliesslich Kunst- und Kulturgüter im Kontext des Nationalsozialismus, die sich in staatlich finanzierten Museen beziehungsweise Sammlungen befinden. Nur bei diesen Kulturgütern wird eine einseitige Anrufung der Kommission möglich sein.
Das Parlament schwächt die Vorlage des Bundesrates im entscheidenden Punkt ab
Der Ständerat hat sich in der umstrittenen Frage der Anrufbarkeit der künftigen Kommission gegen den Vorschlag des Bundesrats und des Nationalrats durchgesetzt, die beide in jedem Fall, sowohl bei Kulturgütern in öffentlichen Institutionen als auch bei privaten Besitzern, die einseitige Anrufbarkeit festgeschrieben haben wollten.
Die Unterscheidung zwischen Kulturgütern in staatlichem und privatem Besitz ist nicht nachvollziehbar
Der SIG kritisiert diesen Entscheid ausdrücklich. Die nun festgeschriebene zweiseitige Anrufbarkeit der künftigen Expertenkommission wird deren Handlungsfähigkeit stark einschränken und bedeutet für die Schweiz einen Rückschritt im Umgang mit historisch belasteten Kulturgütern. Das Signal, das das Parlament damit aussendet, ist beunruhigend. Kunst- und Kulturgüter, die möglicherweise aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung belastet sind, befinden sich in der Schweiz oftmals in Privatbesitz. Auch in diesen Fällen hätte die einseitige Anrufung der künftigen Expertenkommission gewährleistet sein müssen. Jetzt da die privaten Besitzer von der einseitigen Anrufung ausgenommen worden sind, wird die Position des Schwächeren, der als Nachkomme eines potentiell Geschädigten von der Expertenkommission nicht angehört werden muss, ein weiteres Mal marginalisiert. Somit wird die Expertenkommission von Beginn an die moralischen Ansprüche der Nachkommen gar nicht prüfen können, was aber genau der Zweck der Kommission sein sollte. Die Schweiz erhält zwar nun endlich eine unabhängige Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe. Fraglich bleibt aber, ob faire und gerechte Lösungen gewährleistet sind, wenn gesetzliche Richtlinien nur schon die Prüfung des Einzelfalls verhindern.
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