Der Ständerat sieht weiterhin eine zweiseitige Anrufung bei der unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe vor. Der SIG lehnt diesen Vorschlag ab

Der Ständerat sieht weiterhin vor, dass die Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe nur in Ausnahmefällen einseitig angerufen werden kann. Der SIG bedauert es, dass sich der Ständerat trotz der Kritik weiterhin im Grundsatz für eine zweiseitige Anrufbarkeit ausspricht.
Der Ständerat hat sich heute erneut mit der unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe befasst. Mit 29 zu 16 Stimmen hält er heute grundsätzlich an seinem Entscheid vom Sommer 2024 fest. Im Parlament geht die Debatte um die Frage der ein- oder zweiseitigen Anrufbarkeit der zu schaffenden unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe nun in die nächste Runde. Im Januar hat sich die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats WBK-S erneut im Grundsatz für die zweiseitige Anrufbarkeit ausgesprochen. Eine Mehrheit ihrer Mitglieder hat beantragt, dass die Zustimmung aller Parteien nötig sei, ausser bei Kulturgütern im Kontext des Nationalsozialismus, die sich in staatlich finanzierten Museen beziehungsweise Sammlungen befänden. Einzig bei diesen Kulturgütern solle eine einseitige Anrufung der Kommission möglich sein. Der Ständerat folgt nun diesem Vorschlag.
Der Ständerat schwächt die Vorlage von Bundesrat und Nationalrat im entscheidenden Punkt ab
Bereits im Sommer 2024 hatte sich der Ständerat in der Frage der Anrufbarkeit der künftigen Kommission gegen den Vorschlag des Bundesrats und den Nationalrat gestellt, die beide in jedem Fall die einseitige Anrufbarkeit festgeschrieben haben wollen. Der Ständerat hatte sich zwar im Grundsatz für die Schaffung einer unabhängigen Expertenkommission ausgesprochen, aber gleichzeitig eine zwingende zweiseitige Anrufung festgeschrieben. Der SIG bedauerte diesen Entscheid bereits damals, da damit der Spielraum der künftigen Expertenkommission stark eingeschränkt wird.
Die Unterscheidung zwischen Kulturgütern in staatlichem und privatem Besitz ist nicht nachvollziehbar
Auch der erneute Entscheid des Ständerates ist für den SIG nicht nachvollziehbar. Dass sich die einseitige Anrufbarkeit der Kommission nur auf Kulturgüter mit NS-Kontext in staatlich finanzierten Einrichtungen beschränken soll, ist keine gangbare Lösung. Kunst- und Kulturgüter, die möglicherweise aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung historisch belastet sind, befinden sich in der Schweiz oftmals in Privatbesitz. Auch in diesen Fällen muss die einseitige Anrufung der künftigen Expertenkommission gewährleistet sein. Eine zwingend zweiseitige Anrufung würde das Einverständnis aller Parteien erfordern, damit die Kommission überhaupt tätig werden kann. Werden die privaten Besitzer von der einseitigen Anrufung ausgenommen, würden die Nachkommen der potenziell Geschädigten in ihrer Position und ihren Handlungsoptionen stark geschwächt werden, da sie auf deren Zustimmung angewiesen wären.
Der SIG setzt sich für die Festschreibung der einseitigen Anrufbarkeit ein
Der SIG setzt sich deshalb stark dafür ein, dass der Vorschlag des Bundesrats in seiner ursprünglichen Form, dem auch der Nationalrat zugestimmt hat, umgesetzt wird. So soll in jedem Fall bei historisch belasteten Kulturgütern, die einseitige Anrufung der künftigen unabhängigen Expertenkommission festgeschrieben werden. Nur so erhält die Schweiz eine wirksame unabhängige Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe, die faire und gerechte Lösungen empfehlen kann.
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